An einem warmem Frühlingstag Mitte Mai stieg ich in das Flugzeug von Berlin Richtung Kathmandu, der Hauptstadt Nepals. Die nächsten dreißig Tage würden dem Deutschen Roten Kreuz und der Hilfe für die Menschen gewidmet sein, die von dem schweren Erdbeben betroffen waren, das Nepal am 25. April erschüttert hatte.

Im Moment, wenn man das Flugzeug betritt, ist es, wie in einen Tunnel zu gehen, in einen Sog zu geraten. Man fokussiert sich auf das, was man weiß und noch herausfinden muss, darauf, wie man am besten helfen kann. Familie und Freunde verschwimmen im Hintergrund und du konzentrierst dich auf das, was vor dir liegt. Man hat für alle Eventualitäten gepackt und ist gleichzeitig dankbar, in einem Netzwerk zu arbeiten, das einem die bestmögliche Sicherheit bietet.
Emotionen und Eindrücke beim Einsatz in Nepal
Während meiner ersten Stunden in Nepal, auf der Fahrt vom Flughafen zum Rotkreuz-Hauptquartier ordnete ich die Zerstörung um mich herum ein. Es schien bei weitem nicht so schlimm zu sein, wie ich erwartet hatte. Noch erfüllt von den Bildern aus den Medien und von verschiedenen Erdbebenorten, die ich bereits besucht hatte, war ich sicher gewesen, Kathmandu sei völlig zerstört.

Doch leider entpuppte sich die Realität später als noch viel schlimmer als das, was man während dieser dreißigminütigen Fahrt vom Flughafen in das Kalimati-Viertel sah. Kathmandu hat sehr gelitten. Wenn auch nicht auf den ersten Blick sichtbar, sind viele Gebäude nicht mehr bewohnbar, selbst wenn sie nicht gleich eingestürzt waren. Die größte Zerstörung traf jedoch die Dörfer – viele sah ich, die völlig dem Erdboden gleich gemacht waren. Nicht ein Haus stand dort mehr, die Ernte war verloren. Die Herausforderung ist hier, dass diese Dörfer sehr schwer zu erreichen sind. Oft benötigt man ein bis zwei Tage zu Fuß in Höhen über 3000 Metern.
Nachbeben: Die Natur zeigte ihre Überlegenheit

Und dann folgte ein weiteres Nachbeben, so stark, dass man von einem weiteren Erdbeben sprach, mitten am Tag, für fast eine Minute. Für mich war es das furchterregendste Erdbeben, das ich erlebt habe. Ich versuche mir vorzustellen, was es seelisch bei den Menschen anrichtete, die gerade das erste Beben überstanden hatten. Die Natur zeigte ihre Überlegenheit über die Menschheit und ließ uns mit dem Gefühl der Hilflosigkeit zurück, wenigstens am diesem 12. Mai 2015.
Nachdem sich alle vergewissert hatten, dass es den Freunden und Verwandten nach dem Beben gut ging, und nachdem man die Nacht im Freien verbracht hatte, ging die Arbeit weiter. Denn Hilfe in die entlegenen Dörfer zu bringen ist ein Wettlauf mit der Zeit, weil der Monsun schon im Juni beginnt und bereits ab September Wintertemperaturen herrschen können.

An einem warmen Sommertag früh im Juni bestieg ich in Kathmandu das Flugzeug Richtung Heimat. Ich fühlte mich sehr privilegiert, dass ich Teil der Rettungsbemühungen sein durfte, dass ich unglaublich warmherzige, starke und erstaunliche Menschen treffen konnte. Mir ist klar, dass die Arbeit in Nepal gerade erst begonnen hat. Meine Gedanken sind immer noch dort, die Seele braucht schließlich länger als ein Rückflug dauert.
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Fotos: Palani Mohan/ IFRC, Marilena Chatziantoniou/ DRK, DRK
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» 09.06.2015: Viele Herausforderungen und ein Nachbeben
» 13.05.2015: Das Ende eines Traums
» 08.05.2015: 2.200 Freiwillige Helfer des Nepalesischen Roten Kreuzes im Einsatz
» 04.05.2015: Nepals Freiwillige im Angesicht der Tragödie: „Wir müssen den Lebenden helfen“