Die Zeltstadt im Fußballstadion – Das Feldhospital des DRK 1/3

Am 01.04.2010

Ulrike Koltermann ist dpa-Korrespondentin in Paris und berichtet über das DRK-Feldhospital in Port-au-Prince wenige Wochen nach dem verheerenden Erdbeben. Dieser Beitrag ist der erste Teil einer längeren Reportage vom 10. Februar 2010, die wir in drei Teilen hier veröffentlichen. Vielen Dank an dpa für die kostenlose Bereitstellung des Beitrags.

von Ulrike Koltermann

Port-au-Prince (dpa) – Jésunette hält ihre Tochter erschöpft im Arm. Das Mädchen hat noch feuchte Haare und bekommt die Augen kaum auf. Sie kam vor wenigen Minuten auf dem Beifahrersitz eines Autos des Deutschen Roten Kreuzes zur Welt. Das Leben geht weiter in Haiti. Jésunette hat das verheerende Erdbeben vor gut drei Wochen hochschwanger überlebt. Ihr Haus ist zerstört, sie lebt mit ihrer Familie in einem Zelt. Im Moment spielt das alles keine Rolle für sie. Sie blickt auf das winzige Bündel, das seine Hände zu Fäusten geballt hat, und sieht glücklich aus.

Luftaufnahme eines Fußballfeldes mit ca. 30 Zelten
Das mobile Krankenhaus des DRK in Carrefour, Haiti © Keppeler, DRK

Die junge Mutter hat Glück gehabt, dass Helfer sie in das Feldkrankenhaus des Roten Kreuzes gebracht haben, das aus einer Zeltstadt auf einem Fußballplatz besteht. Nach Schätzungen der Regierung kamen in Haiti etwa 217 000 Menschen ums Leben und 300 000 wurden verletzt. Die Kliniken und Ambulanzen in der Hauptstadt Port-au-Prince waren schon vor dem Erdbeben in einem desolaten Zustand. Diejenigen, die nicht zerstört sind, sind hoffnungslos überfüllt. Viele Patienten lagern im Freien,
weil es keine Betten mehr gibt und sie Angst vor Nachbeben haben.

Der Impfstoff wird über die Autobatterie gekühlt

„Das Schlimmste, was einem jetzt in Haiti passieren kann, ist eine Blinddarmentzündung oder ein Kaiserschnitt“, sagt der Münsteraner Kinderarzt Joachim Gardemann, medizinischer Leiter der Zeltklinik. „Sämtliche Ressourcen sind von der Erdbebenhilfe absorbiert“, erklärt er. Dabei müssten die Krankheiten des Alltags auch dringend versorgt werden. Zudem drohen neue gesundheitliche Probleme in den vielen improvisierten Zeltlagern in der Stadt. Dort hocken Tausende auf engstem Raum unter katastrophalen Bedingungen zusammen. Insgesamt haben eine Million Menschen in Haiti kein Dach mehr über dem Kopf.

Joachim Gardemann behandelt einen kleinen Patienten im DRK-Feldhospital © Stefan Trappe, DRK

„Die Gefahr geht nicht von den Leichen aus, sondern von lebenden Patienten“, sagt Gardemann. „Es werden dringend Latrinen gebraucht. “Masern könnten ein großes Problem werden, da sie von Mensch zu Mensch übertragen werden und nur etwa 20 Prozent der Bevölkerung immun seien. Das Rote Kreuz hat mit einer großen Impfkampagne begonnen. Die Helfer gehen von Haus zu Haus, die Kühlung für den Impfstoff wird über den Zigarettenanzünder des Autos mit Batterie-Strom versorgt. Auch Dengue-Fieber und Malaria könnten sich ausbreiten.

Verletzungen durch Erdbeben sind oft stark verschmutzt. Wenn sie zu schnell zugenäht werden, können sie sich entzünden. In Haiti wurden nach dem Beben zudem Amputationen an schätzungsweise 6000 Menschen vorgenommen – teils ohne Verwendung von professionellem Operationsbesteck. Viele von ihnen müssen jetzt nachbehandelt werden, um Komplikationen zu vermeiden oder Prothesen anpassen zu können.

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