Mein erster Dienst alleine. Ich habe Spätdienst. Zu Beginn der Schicht sehe ich einen neunjährigen Jungen in einem der Zelte außerhalb des Risikobereichs sitzen. Er scheint geheilt zu sein und darauf zu warten, dass er nach Hause kommt. Dass es so schnell geht habe ich nicht gedacht, aber offenbar scheint er die 21-tägige Inkubationszeit hinter sich zu haben. Ich winke ihm zu und er winkt schüchtern zurück.
Kinder mit Ebola und Ebolaverdacht
Am späten Nachmittag gehe ich eine Runde und schaue auch am Kindergarten vorbei. Dort sind der neunjährige Junge sowie zwei weitere Kinder, ein Siebenjähriger und seine vier Jahre alte Schwester. Ihre Mutter ist an Ebola erkrankt und kämpft um ihr Leben.

Ich unterhalte mich mit der Krankenschwester und sie erzählt mir, dass der Neunjährige seit ein paar Minuten über Bauchschmerzen klage. Er habe aber auch den ganzen Tag noch nichts gegessen. Ich verspreche der Krankenschwester, einen Arzt vorbei zu schicken. Im Camp zurück erzähle ich der Ärztin Rosa von dem Jungen. Wir sind uns einig, dass es vermutlich daran liegt, dass er noch nichts gegessen hat und dass es auch mit der Trauer zusammenhängt. Sie wird aber trotzdem sofort nach ihm sehen. Er soll morgen entlassen werden und zu seiner älteren Schwester gebracht werden. Gegen 18.30 Uhr gehe ich zusammen mit Rosa noch einmal nach ihm sehen. Die Krankenschwester sagt dass er gerade schläft.
Ein bescheidener Wunsch: Brot und Tee vor dem Schlafengehen
Als wir gerade gehen wollen, bittet die Krankenschwester uns noch einen Moment zu warten, da der Siebenjährige uns noch etwas sagen will. Zunächst schämt er sich und will nichts sagen, doch dann erzählt er und die Krankenschwester übersetzt. Er erzählt uns, dass sein Vater, der auch an Ebola gestorben ist, was der Junge noch nicht weiss, ein Bäcker sei, und dass seine Schwester und er vor dem Schlafengehen immer Brot und Tee bekommen hätten damit sie besser einschlafen können. Doch jetzt wo sie hier wären und sein Vater nicht, würden sie schlecht einschlafen können, da sie kein Brot hätten… . Als ich dabei in die Kulleraugen der beiden sehe, kommen mir die Tränen. Ich verspreche beiden ab morgen Abend Brot und zwar solange sie hier sind. Die Krankenschwester übersetzt dies in Chreol, die Muttersprache der beiden, und der Junge fängt an zu lächeln. Das sind die Situationen, die meine Arbeit hier bereichern.

DRK-Isolationszelte: Erleichterung im Kenema General Hospital
Einige Zeit später fahre ich mit einer Kollegin und einem Kollegen ins Kenema General Hospital. Dort stehen zwei Zelte des DRK. Im Zelt Beleuchtung und je zehn Feldbetten. Um die Zelte herum ca. 60 Meter orangener Zaun, sowie ca. zehn Meter vor beiden Zelten eine Latrine. In den Zelten wurden 20 Mitarbeiter des Krankenhauses isoliert, die Kontakt zu einer Patientin hatten, die an Ebola erkrankt war. Diese Patientin ist dort operiert worden und auch später an Ebola verstorben. Gott sei Dank hat sich keiner der Mitarbeiter infiziert. Da die 21 Tage nun um sind, sollen die Zelte und die Zäune abgebaut und in den nächsten Tagen nach Kono transportiert werden. Da sich keiner der Mitarbeiter angesteckt hat, beschließen wir, dass die Zelte lediglich gereinigt werden müssen. Ich habe morgen Spätdienst und werde dann mit zwei meiner Leute vor dem Dienst ins Hospital kommen. Zusätzlich wird Sandra noch ein paar Leute für einen Tag anheuern, die uns beim Abbau helfen sollen.
Danach fahren wir zurück ins Ebola-Behandlungszentrum (ETC), natürlich erst nachdem ich das Brot für die beiden Kids gekauft habe. Da ich jeden Tag am selben Stand kaufe, kommt der Verkäufer schon an das Fahrzeug gelaufen – mit einem Brot in der Hand. Denn links und rechts neben ihm befinden sich ebenfalls Brotstände und er hat wohl Angst ein Geschäft zu verpassen und jemand anderes könnte schneller sein als er. Anschließend halten wir noch am Supermarkt, um ein paar Kekse für die Kids zu kaufen.

Auch Mitarbeiter brauchen gelegentlich medizinische Hilfe
Im Camp angekommen, meldet sich Frederic, ein Mitarbeiter, bei mir. Beim Auskleiden des Schutzanzuges hat er einen Tropfen Chlorlösung 0,5% in ein Auge bekommen. Die Lösung ist beim Ausziehen der Schutzbrille von der Haube ins Gesicht gelaufen. Ich bringe ihn sofort zur „Staff Health“, wo das Auge ausgiebig gespült wird. Dudu, einer unserer Ärzte, schaut sich das Auge an. Er meint, dass es gut gegangen ist, er aber zur Kontrolle ins Kenema General Hospital in die Augenklinik gebracht werden soll, um sicherzugehen, dass auch wirklich alles okay ist. Ich rufe Barbara, die ETC-Managerin an. Sie organisiert sofort ein Fahrzeug.
Nachdem die Frage der Kostenübernahme geklärt ist, fahre ich mit Frederic ins Krankenhaus. Dort geht alles sehr schnell. Frederic muss sich zunächst registrieren. Dafür zahle ich 2.000 Leone, was noch nicht mal 50 Cent ausmacht. Danach geht’s direkt zum Sehtest. Der befindet sich auf einem Flur, an dessen Wand Zahlen und Buchstaben hängen, wie man das bei uns beim Augenarzt auch kennt. Beim Augenarzt angekommen, bedankt dieser sich erst einmal bei mir, dass wir in seinem Land den Menschen helfen. Bevor Frederic zur Nebensache wird, erzähle ich, was ihm passiert ist. Er bekommt Tropfen ins Auge und der Augenarzt guckt sich das Auge an. Er meint, dass alles in Ordnung sei und wir das Auge gut gespült hätten. Frederic bekommt weitere Tropfen verschrieben, die er die nächsten drei Tage nehmen soll. Wir gehen mit dem Rezept zur Kasse, ich zahle 10.000 Leone und wir holen dann in der Apotheke im selben Gebäude die Tropfen ab. Da der Tag für Frederic gelaufen ist und er in Kenema wohnt, lassen wir ihn in der Stadt aussteigen.
Ich fahre nochmal ins ETC zurück, um den beiden Kindern das Brot und die Kekse zu bringen, denn das wäre nun fast in Vergessenheit geraten.
» Erfahren Sie mehr über die Ebola-Hilfe des DRK in Westafrika.
Fotos: K. Müller/ IFRK; Schwedisches Rotes Kreuz, Katherine Mueller / IFRK, IFRK