Flüchtlingshilfe im Libanon
Mehr als ein Dutzend grölender Kinder donnert auf uns zu, als wir eine einfache Siedlung von syrischen Familien im libanesischen Qoub Elias besuchen. Sie albern herum, zupfen neugierig an unserer Kleidung oder den Händen. Es scheint, als wollen uns gleich alle zeigen, wie sie hier leben. Zumindest wollen sie unsere Aufmerksamkeit. Hier und jetzt.

Es geht hoch her an diesem Morgen. Qoub Elias liegt rund 25 Kilometer westlich der syrischen Grenze an der Straße zu Damaskus. In dieser kleinen, temporär errichteten Siedlung, die in humanitären Kreisen auch Informal Tented Settlement genannt wird, leben etwa 40 Familien, also nahezu 200 Menschen. Die meisten sind Kinder unter zehn Jahren. Sobald ich mich mit der Fotokamera in Position bringe, ziehen die Kids Grimassen oder posieren lässig selbstbewusst mit hoch gestrecktem Daumen oder Victory-Zeichen vor der Linse.
Ein etwa achtjähriges Mädchen fällt auf. Ihre Haut ist hell, wie meine. Nur Sommersprossen hat sie mehr als ich. Ihre langen roten Haare glänzen in der Sonne. Sie spielt mit meinem Auftrag, Bilder zu machen und taucht ab, sobald ich sie im Fokus habe. Das finden auch ihre Freundinnen amüsant. Und so passiert es ein paar Mal, dass alle kichern, wenn ich wiederholt absetzen und nach ihr suchen muss. Ich gebe fast auf, als sie mir nachschaut. Klick. Erwischt. Sie lacht.

Die Stimmung in der Siedlung ist in der kurzen Zeit unseres Besuches nahezu unbeschwert, fast überschwänglich. Ihre vielen kleinen Bewohner sausen kreuz und quer vor uns her und sorgen dafür, dass niemandem langweilig wird. Mit unseren roten Westen dürfte es mittlerweile kaum jemandem entgangen sein, dass heute Besuch da ist.
Die Mütter beobachten das bunte Treiben aus sicherer Entfernung; die wenigen Väter sind unterwegs und versuchen sich in der Stadt als Tagelöhner. Ein alter Mann hockt auf einem Drahtgeflecht, das wohl mal ein Sofa war und schaut zu uns rüber. Er winkt mit der rechten Hand und raucht mit der linken. Spätestens jetzt wird klar: Die Leute freuen sich über den Besuch. Die Tristesse des Alltags macht eine Pause. In diesem Moment.
Fernab der quirligen Meute, die sich um uns rankt, stehen auch Kinder in der zweiten Reihe. Ebenfalls interessiert, aber zurückhaltend, still und schüchtern mustern sie uns. Sobald man rüber schaut, verstecken sie sich hinter den Planen ihrer Hütten. Manchmal halten sie sich auch nur die Hände vor ihr Gesicht. Sie schaffen es nicht, sich an dem fast flächendeckend umgreifenden Spaß ihrer Altersgenossen zu beteiligen. Sie wirken schwächer, irritiert und nachdenklich. Fast wie Erwachsene.
Ich knie mich vor ein Mädchen mit Rucksack. Ihre Finger greifen die dünnen Drähte des Zauns vor dem sie steht. Fast regungslos schaut sie mit leeren Augen durch mich hindurch. Ich versuche sie zu erreichen und sie an der Freude der anderen teilhaben zu lassen. Ganz behutsam. Es gelingt mir aber nicht, dem Mädchen ein Lächeln abzuringen. Ich traue mich auch nicht, sie an die Hand zu nehmen, aus Angst, sie könnte schreien. Warum soll ich auch jemanden anfassen oder zum Lachen bringen wollen, meldet sich eine innere Stimme und stellt meine Absicht sogleich wieder in Frage.

Ein Fußball, der mir in den Rücken geschossen wird, beendet meinen inneren Konflikt. Die jungen Wilden weiter hinten wollen meine Ballkünste sehen. Ich lächle dem Mädchen am Zaun noch einmal zu, bevor ich mich den Sportlern widme. Aber mit der platten Flunder kann ich meine einstige Bezirksligatauglichkeit nicht ins rechte Licht rücken. Wo sind die Ballpumpen, wenn man sie braucht!?
Das Mädchen am Zaun steht starr und beobachtet unsere agile Truppe mit dem platten Leder. Der selbsternannte Bürgermeister der Siedlung erklärt uns die Fortschritte, die innerhalb dieser Anlage erreicht wurden: Eigene Wasserversorgung, Gemüseanbau, Feuerlöscher und Erste-Hilfe-Equipment für alle, Schulunterricht…
Wir ziehen weiter und meine Gedanken bleiben an dem traurigen Mädchen mit Rucksack hängen. Die anderen aufgekratzten Kids, die mich belagern, nehme ich plötzlich viel dumpfer wahr, als noch vor ein paar Minuten. Sie greifen nach der Kamera und nach meinem Handy mit der Teleskopstange. Sie machen Selfies, quieken, lachen und haben richtig Spaß. Das freut mich. Nur lachen kann ich seit der Begegnung mit dem Mädchen nicht mehr.

Finanziert vom deutschen Auswärtigen Amt, unterstützt das Deutsche Rote Kreuz (DRK) das Libanesische Rote Kreuz (LRC) bei der Verteilung von Hygieneprodukten, wie zum Beispiel Seife, Shampoo, Schwämme, Waschpulver, Zahnpasta und -bürsten. Im Libanon sind das derzeit jeden Monat etwa 1.000 Hygienepakete, die an syrische Schutzsuchende ausgegeben werden.
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„Das Lachen der anderen“
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bring mich mittlerweile zum heulen!
Damit die EU nicht an der Flüchtlingskrise zerbricht und die Reisefreiheit im Schengenraum weiterlebt, gibt es nur einen Ausweg: eine gemeinsame europäische Antwort auf die Flüchtlingskrise. Mit einem wirksamen Schutz der europäischen Außengrenzen. Mit einer gerechteren Verteilung von Flüchtlingen und der Option, dass die unwilligen Länder sich anfangs freikaufen können. Und mit mehr europäischem Engagement in Syrien und an anderen Krisenorten.