Von Nguyen Thuy Binh, Project Manager Katastrophenvorsorge
Unser Team wollte, dass alles so echt wie möglich aussieht. Sie kamen mit unzähligen Ideen, wie wir diese wichtige Katastrophen-Simulationsübung in der Gemeinde Phong Thu noch besser ausgestalten könnten: Wir brauchten einen durch den Taifun umstürzenden Baum, also wurde einer am Straßenrand angesägt, sodass wir ihn im richtigen Moment nur noch umkippen mussten. Das rötlich-braune Wunddesinfektionsmittel diente als künstliches Blut. Und Wasserbüffel mussten her, am liebsten gleich fünf davon, um sie bei der Evakuierungsübung mitzuführen. Nach ein bisschen Herumrennen fanden wir zumindest einen Büffel, den wir als Komparsen verpflichten konnten.
Dies war jedoch bloß ein kleiner Teil der Vorbereitungen für unsere große Katastrophensimulation – für uns ein sehr wichtiger Anlass und eine Chance, unser Können unter Beweis zu stellen. Teil unseres Katastrophenvorsorge-Projektes in der Provinz Hue war es, lokale Katastrophen-Einsatzgruppen in besonders taifun- und überflutungsgefährdeten Gemeinden in Erster Hilfe und „Suchen & Retten“ auszubilden.

Am Tag vor der eigentlichen, großangelegten Simulationsübung übten wir sozusagen die Übung. Wir wollten sichergehen, dass in diesem „Ernstfall“ alle Komponenten gut organisiert zusammenspielen: Die Rettung eines Ertrinkenden aus dem nahen O-Lau-Fluss mit anschließender Reanimation, die Anzahl der Rettungsboote, die Hausdachbefestigung gegen den Sturm, die Blutstillung und das Ruhigstellen eines Knochenbruchs der Opfer, die von dem umstürzenden Baum getroffen wurden. Die Leute aus den umliegenden Häusern kamen neugierig herbei und wollten uns gute Ratschläge erteilen, wie wir alles besser und schneller machen könnten. Bestimmt meinten sie es gut; sie machten unsere Rettungshelfer jedoch ein bisschen nervös. Und mich wahrscheinlich auch: In den Nächten vor der Katastrophenübung bekam ich kaum ein Auge zu. Als ich dann doch endlich einschlief, musste ich im Traum Ertrinkende aus dem Fluss ziehen…

Dann aber kam der große Tag, und es klappte wunderbar! Es machte mich glücklich und stolz, zu sehen, wie engagiert alle zum Gelingen dieser Übung beitrugen.
Unsere Katastrophen-Simulationsübung war jedoch nicht nur bloße Show, sondern bedeutete auch eine weitere wertvolle Chance, den Ernstfall zu proben. Die Gemeindemitglieder nahmen die Sache sehr ernst und überlegten sich bis ins Detail, welche Kleider, Nahrungsmittel und Gegenstände aus ihren Häusern sie in die Plastiktüten packten, in die Tragkörbe legten oder auf Schubkarren luden, um sie bei der Evakuierungsübung mitzunehmen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann der nächste Taifun in Zentralvietnam wüten wird. Die Menschen in der Gemeinde wissen nun, wie sie sich besser schützen und in Sicherheit bringen können, und wie sie sich organisieren und gegenseitig unterstützen können: Männer, Frauen, Kinder und ältere Personen.

Gerade Frauen werden aber viel zu oft als passive Opfer gesehen. Dabei spielen sie bei der Katastrophenvorsorge eine wichtige Rolle. Zum Teil mag sich das hinter den Kulissen abspielen: Für die Bereitstellung von Nahrung und Wasser für die Familie im Katastrophenfall sind normalerweise die Frauen zuständig. Sie sind jedoch auch Helden im Vordergrund – die meisten Pfleger, die sich um Kranke und Verletzte kümmern, sind Frauen.

In unserem Katastrophenvorsorge-Projekt in Hue haben wir die Frauen speziell dazu ermutigt, sich zu beteiligen und den Katastrophen-Einsatzgruppen beizutreten. Im Rahmen der Vulnerabilitäts- und Kapazitätsanalysen organisierten wir Gruppendiskussionen für Frauen, um besser auf ihre Anliegen eingehen zu können. Aber wir könnten noch mehr tun! Beim nächsten Projekt würde ich die Frauen gerne noch mehr in Entscheidungsprozesse einbinden. Wir sind kein schwaches Geschlecht. Im Gegenteil, in Vietnam haben Frauen schließlich eine lange Tradition darin, ziemlich hart im Nehmen zu sein!
Dieses Thema haben wir auch am Internationalen Tag zur Katastropenvorsorge am 12. Oktober promotet. Der Rotkreuz-Ortsverband in Danang organisierte eine Veranstaltung, auf der der Beitrag von Frauen und Mädchen in der Katastrophenvorsorge gewürdigt wurde. Mit einer Gruppe von 15 Schülerinnen aus Hue im Alter von neun bis zehn Jahren fuhren wir zu dieser Veranstaltung, wo die Mädchen auf der Bühne ihre Erste-Hilfe-Kentnisse demonstrierten.
Katastrophenvorsorge an Schulen ist ein weiterer wichtiger Teil unseres Projektes in Hue und, wie ich finde, die erfolgreichste Maßnahme des Projektes. Ich war immer wieder überrascht, zu sehen, mit wie viel Initiative und Kreativität die Lehrer ihren Katastrophenvorsorge-Unterricht gestalteten und selbstständig weiter ausbauten.
Für mich selbst ist es übrigens auch nicht immer ganz so einfach, als junge Frau in den Gemeinden in der Katastrophenvorsorge engagiert zu sein. Wenn ich lokal mit älteren Autoritätspersonen zusammenarbeite, und meist sind dies Männer, kann ich sie nicht einfach herumdelegieren oder ihnen geradeheraus widersprechen. Dies wäre nicht das Benehmen, das man hier von einer jüngeren Frau erwartet.
Das bedeutet, dass ich mir nicht nur überlegen muss, was ich sage, sondern auch, wie ich es sage. Manchmal kommt es auch vor, dass ich andere für mich sprechen lasse: Ich benutze einen Mann aus dem VNRC-Vorstand (VNRC, Vietnam National Red Cross) als Sprachrohr. Am Ende geht es ja vor allem darum, dass das Projekt funktioniert.
Trotzdem ist es die Arbeit mit den Menschen in den Gemeinden, was ich an meinem Job besonders liebe. Und jeden Tag kann ich mich engagieren, etwas Sinnvolles tun, keine Minute meines Lebens verschwenden. Das ist es, was mich motiviert, weiter zu machen!