Nachfolgend ein schöner Beitrag aus der Münsterschen Zeitung über den Rotkreuz-Helfer Joachim Gardemann:
Das Hemd wechselte, doch die braune Weste hatte Joachim Gardemann bei seinem Einsatz im Krisengebiet von Haiti fast immer an. Auch als er in kurzen Hosen, mit nackten Füßen und Instrumenten, die Schwestern hektisch aus Kisten suchten, zwei Schussopfer operierte.

Die Kranken warteten nicht, bis das Rote Kreuz sein Hospital in einem Fußballstadien in der Hafengegend Carrefour errichtet hatte. Sie waren da. Immer. Überall. Menschen, die gerade erst operiert worden waren oder dringend eine Operation benötigten, lagen auf Straßen und in Parks, als der Münsteraner mit seinem Team in Haiti ankam. „Wenn sie keine Angehörigen hatten, die sich um sie kümmerten, sind sie verhungert oder verdurstet“, sagt Gardemann. Vier Wochen hatte der Kinderarzt als medizinischer Leiter im mobilen DRK-Krankenhaus gearbeitet. Sonntag war er von seinem achten Kriseneinsatz zurückgekehrt. Am Mittwoch berichtete er von seinen Erfahrungen.
Haiti sei nach Ruanda sein zweitschwierigster Einsatz gewesen. Nichts habe funktioniert, nichts sei vor Ort gewesen. Um 100 Liter Diesel zu besorgen, sei ein Mitarbeiter mitunter einen Tag unterwegs gewesen. Das Krankenhaus verbraucht für den Stromgenerator und die Autos 300 Liter am Tag. „Wenn wir eine Blutkonserve aus dem zwei Kilometer entfernten haitianischen Krankenhaus holen mussten, dauerte es aufgrund der zerstörten Straßen und fehlender Verkehrsregeln ebenfalls einen Tag“, sagte Gardemann. „Das war extrem frustrierend.“
Drei-Jahres-Plan
Die haitianische Gesundheitsversorgung sei katastrophal, viel schlechter als in Kenia oder Tansania. Das Rote Kreuz entwickelt deshalb einen Drei-Jahres-Plan für die Hilfe vor Ort und sucht zunächst ein Gebäude, in das das mobile Krankenhaus vor Beginn der Regenzeit im April ziehen kann. „Schon am 28. Januar, 16 Tage nach dem Erdbeben, hatten wir mehr Patienten mit Blinddarmentzündungen, Geburten, Herzinfarkten oder Schussverletzungen als Erdbebenopfer“, so Gardemann. Dazu kommen 40 bis 50 Malaria-Fälle pro Tag, weil fast 80 Prozent der Haitianer unter freiem Himmel leben.
Ruhepausen fanden die 80 Mitarbeiter kaum. „Wir waren nahezu 24 Stunden im Dienst und immer über Funk miteinander verbunden“, sagt Gardemann. „Anders funktioniert die Hilfe nicht.“
Quelle: Münstersche Zeitung