Eine Testerin testet das Modell für vorhersagebasierter Finanzierung in der Virtual Reality auf der Global Platform for Disaster Risk Reduction

Vorhersagebasierte Finanzierung: Ein Ansatz zur Minderung klimabedingter Katastrophenrisiken findet Anklang in Mexiko

Am 02.06.2017 von Alexandra Rüth

Logo der Global Platform For Disaster Risk Reduction, auf der das DRK sein Modell für vorhersagenbasierte Finanzierzung vorgestellt hat

Was lässt Menschen ihre Heimat verlieren? Was lässt sie fliehen? Kriege? Gewalt? Wirtschaftliche Probleme? Wenn man an Fluchtursachen von Millionen von Menschen weltweit denkt, spielt das Wetter und seine Folgen selten eine Rolle. Doch tatsächlich fliehen nach internationalen Schätzungen weltweit viele Millionen Menschen aufgrund von Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Wirbelstürmen, Dürren, Gletscherschmelzen und Erdbeben aus ihrer Heimat geflohen sein. Und tatsächlich: die Bekämpfung der Folgen des Klimawandels nehmen für humanitäre Hilfsorganisationen, wie das Deutsche Rote Kreuz eine ist, immer größeren Raum in der humanitären Arbeit ein. Damit einhergehend ist nicht nur das Bedürfnis der Hilfe für die betroffenen Menschen groß, auch neue, alternative Modelle zur Hilfe im Katastrophenfall werden benötigt. Aus diesem Grund trafen sich nun führende Experten und Hilfsorganisationen im mexikanischen Cancun auf der Global Platform for Disaster Risk Reduction, um sich auszutauschen und gemeinsam zu diskutieren. Auch Alexandra Rüth vom Deutschen Roten Kreuz war vor Ort.

Für die DRK-Projektgruppe, die im Team Internationale Zusammenarbeit ein neuartiges System der vorrausschauenden humanitären Hilfe entwickelt, war der Mai ein wichtiger Monat. Vom 24. – 26. Mai fand nämlich in Cancun, Mexiko die „Global Platform for Disaster Risk Reduction“ statt. Vom United Nations Office for Disaster Risk Reduction (UNISDR) organisiert, sollte die Plattform vor allem die Umsetzung des Sendai-Rahmenwerks für Katastrophenvorsorge 2015-2030 vorantreiben. Zahlreiche Statements auf höchster Ebene bestätigten die Dringlichkeit der Umsetzung des Rahmenwerks. Gerade die bereits zu spürenden und sich zukünftig verschärfenden Auswirkungen des Klimawandels gaben hierzu Anlass. Die Zielsetzung der Plattform ist in diesem Zusammenhang wie folgt formuliert:

Die erhebliche Reduzierung des Katastrophenrisikos und der Verluste von Leben, des Lebensunterhalts und der Gesundheit, sowie den ökonomischen, physischen, sozialen, kulturellen und umweltbezogenen Vermögenswerten von Personen, Unternehmen, Gemeinden und Ländern. 

Vorhersagebasierte Finanzierung: Ein Ansatz, der schon vor Katastrophen besser hilft

Das Deutsche Rote Kreuz hat mit Auftrag durch das Auswärtige Amt ein vorrausschauendes System der humanitären Hilfe entwickelt und leistet diesbezüglich schon einen großen Beitrag. So soll mit dem System nicht mehr auf die plötzlich einsetzende humanitäre  Katastrophe gewartet werden, um dann auf das meist große Leid zu reagieren. Ziel ist es, nun auf Grundlage von Vorhersagen von Extremwettereignissen frühzeitige Maßnahmen schon vor Eintreten der Katastrophe zu finanzieren, um die Auswirkungen auf die Bevölkerung zu reduzieren. Dieses Finanzierungsmodell stellt eine bedeutende Veränderung des derzeitigen humanitären Systems dar, das Mittel für schnelle Hilfe meist erst zur Verfügung stellt, wenn der Katastrophenfall schon eingetreten ist. Eine solche vorhersagenbasierte Finanzierung, die auch Forecast-based Financing genannt wird, erlaubt es, bei Erreichen von wissenschaftlich ermittelten Vorhersageschwellenwerten (wie zum Beispiel Regenmengen oder die durchschnittliche Temperatur) für eine Region, automatisch Gelder für zielgerichtete frühzeitige Maßnahmen auszuschütten. Damit kann in den Tagen und Wochen zwischen Vorhersage und Ereignis, und damit schon vor möglichen Katastrophen, das Risiko der Bevölkerung vermindert werden. Gelder können so effektiver und effizienter eingesetzt und Leid kann verhindert werden.

Eine Testerin testet das Modell für vorhersagenbasierter Finanzierung in der Virtual Reality auf der Global Platform for Disaster Risk Reduction

In Cancun waren nun drei unserer Mitarbeiter aus dem Projekt als Teil der deutschen Delegation dabei, um Forecast-based Financing mit Partnern auf die internationale Agenda zu bringen. In zwei Konferenzveranstaltungen zum Thema mit der MünchnerRück, dem Welternährungsprogramm, der FAO, dem Rotkreuz- & Rothalbmond-Klimazentrum und dem Auswärtigen Amt zeigten sie die großen Fortschritte, die in den vergangenen zwei Jahren dank Forecast-based Financing erreicht wurden. Die dabei zustande gekommenen  Diskussionen zwischen den unterschiedlichen Experten, die wissenschaftlich, humanitär oder auf Geberseite an dem Thema arbeiten, zeigten das große Potential eines so innovativen Ansatzes der Katastrophenvorsorge. Auch wurden  natürlich die Herausforderungen bei der Entwicklung und Umsetzung des Ansatzes diskutiert.

Interaktiv und anschaulich dank Virtual Reality

Um das Modell des Forcast-based Financing interaktiv und anschaulich zu erklären, setzte der deutsche Stand auf der Global Platform for Disaster Risk Reduction auf Virtual Reality (VR) und wurde damit zu einer Hauptattraktion für die Konferenzteilnehmer.  Am Beispiel Togos konnte man über eine VR-Brille erleben, wie das DRK Forecast-based Financing umsetzt. Zunächst wurde von den VR-Test-Nutzern gefordert, das traditionelle System der humanitären Hilfe durchzuspielen. Der Staudamm läuft über und eine Überflutung passiert im Unterlauf des Flusses. In diesem Szenario passiert die humanitäre Hilfe nur langsam und erreicht die Bevölkerung einige Zeit nach der Katastrophe, weil erst Anträge geschrieben und gestempelt werden müssen. Im zweiten Szenario mit Forecast-based Financing sollte man die konkreten Hilfsmaßnahmen für eine Minderung der Auswirkungen auf die Bevölkerung schon vor der Katastrophe festlegen. Das Geld wird automatisch für humanitäre Hilfe freigegeben, sobald eine entsprechende Wettervorhersage vorliegt und es benötigt wird. Hilfe findet damit schon vor Eintreten der Katastrophe statt.

Begeisterung über Forecast-based Financing beim Roten Kreuz

Filipe Nainoca testet die vorhersagebasierte Finanzierung
Generalsekretär Filipe Nainoca im vollen Einsatz beim Virtual-Reality-Test des vorhersagebasierten Finanzierungsansatzes.

Der Generalsekretär des Roten Kreuzes der Insel Fidschi, Filipe Nainoca, zeigte sich, nachdem er das VR-System ausprobiert hatte, begeistert: „Fidschi braucht Forecast-based Financing. Bei uns gibt es großes Potential für die Finanzierung von frühzeitigen Maßnahmen. Wir kämpfen verstärkt durch den Klimawandel mit Dürren, Fluten und tropischen Wirbelstürmen“.

Auch in Abschlussstatement der Konferenz erfuhr unser VR-System großen  Zuspruch durch die Veranstalter, worüber wir uns sehr freuten. Dies ist unter anderem auch der hervorragenden Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt zu verdanken.

Neben dem Virtual-Reality-System war  auch eine Datenskulptur zu Forecast-based Financing ausgestellt. Als Beispiel dienten hier die oft dramatischen Auswirkungen eines  unkontrollierten Abflusses großer Wassermengen bei Starkregen aus Stauanlagen in oberen Flussläufen. Dadurch werden oftmals Überflutungen von Gemeinden, die unterhalb des Staudamms angesiedelt sind, verursacht. Das UNISDR war so freundlich, uns eine Reiseversion dieser Datenskulptur für unseren Gebrauch zu übergeben.

Mit vielen neuen Erkenntnissen im Gepäck und durch den interessierten  sowie produktiven Austausch mit Kollegen zum Thema Forecast-based Financing bestärkt, konnten wir die Global Platform for Disaster Risk Reduction 2017 wieder verlassen, um unseren Finanzierungs-Ansatz weiter zu verbessern, damit er in Zukunft noch mehr zum Einsatz kommen kann.

Mehr zum Thema:

>> Lesen Sie hier, wie die vorhersagebasierte Finanzierung des DRK in Bangladesch erfolgreich war

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Foto: Portrait einer DRK-Mitarbeiterin Alexandra Rüth
Alexandra Rüth ist im Generalsekretariat des Deutschen Roten Kreuzes für die humanitäre Anpassung an den Klimawandel verantwortlich. In unserem Blog berichtet sie aus ihrem Sachgebiet und von den damit verbundenen Maßnahmen in der humanitären Arbeit.

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