Haiti: 100 Tage nach dem Erdbeben 2/2

Am 29.04.2010

André Hemping-Bovenkerk ist seit vier Wochen als Teamleiter der DRK-Basisgesundheitsstation in Port au Prince tätig. Zuvor war er für das Rote Kreuz bereits in unterschiedlichen Ländern, unter anderem in Indien und im Iran, im Einsatz und hat dort nach Erdbeben Hilfe geleistet. 100 Tage nach dem schweren Erdbeben in Haiti berichtet der Anästhesist über die aktuelle Situation vor Ort. Dies ist der zweite und letzte Teil seines hier veröffentlichten Beitrags.

von André Hemping-Bovenkerk

Eines der Hauptanliegen in den vergangenen Wochen des Einsatzes war es, die medizinische Hilfe noch näher zu den Menschen in die Camps und Stadtviertel zu bringen. Neben dem Betrieb der Basisgesundheitsstation, welche in etwa einer Allgemeinmedizinischen Praxis entspricht, in der täglich zwischen 100 und 150 Patienten versorgt werden, fahren wir gemeinsam mit haitianischen Ärzten und Krankenschwestern, bepackt mit Medikamenten, Untersuchungs- sowie Behandlungsmöglichkeiten raus in die Camps und versorgen die Menschen direkt vor Ort. Jeden Tag fahren wir in eine andere Gegend und erleben wieder neue Menschen und neue Schicksale.

Die Helfer sind außerhalb von Port au Prince aktiv
Die Helfer sind auch außerhalb der Gesundheitsstation in den umliegenden Gegenden im Einsatz © André Hemping-Bovenkerk, DRK

Während er Wartezeiten schulen wir die Patienten

Täglich sehen wir viele Menschen, die unter den schlechten hygienischen Bedingungen leben müssen und  dadurch erkranken. Gemeinsam mit freiwilligen Helfern des Haitianischen Roten Kreuzes nutzen wir die Wartezeit der Patienten, um ihnen Wissen rund um das Thema Hygiene und Gesundheit zu vermitteln. Mit Gesang und einfachen Spielen versuchen wir so, das Bewusstsein für einige Verhaltensweisen, die Krankheiten übertragen können, zu schärfen.

An einen Rückzug aus Haiti ist noch lange nicht zu denken

In unseren mobilen Kliniken vor Ort behandeln wir hauptsächlich Atemwegs-, Haut- und Durchfallerkrankungen. Wenn wir nicht weiter helfen können, überweisen wir die Patienten in eines der örtlichen Krankenhäuser oder in das Feldhospital des Deutschen Roten Kreuzes in Carrefour – einer Nachbarstadt von Port au Prince. Insgesamt versorgt unser sechsköpfiges Team aus den unterschiedlichsten Nationen ungefähr 1300 Patienten pro Woche. Die Haitianer, die wir behandeln,  sind meistens sehr höflich und zurückhaltend und doch merkt man ihnen an, wie dankbar sie für die Hilfe sind, die wir ihnen täglich entgegenbringen.

Eine Massenimpfung, die vor etwa drei Wochen abgeschlossen wurde, und die zusätzliche Versorgung durch internationale Organisationen haben bislang verhindern können, dass es zu einem Ausbruch von Infektionskrankheiten kommen konnte. Ob das auch während der Regenzeit so bleibt, ist schwer vorherzusagen. Trotz der beginnenden Regenzeit ziehen sich viele Organisationen leider mehr und mehr aus Port au Prince zurück oder verlagern ihre Tätigkeiten in das Umland. So entstehen in bereits versorgten Stadtgebieten wieder Versorgungslücken, die von dem örtlichen Gesundheitssystem noch nicht wieder aufgefangen werden können.

André Hemping-Bovenkerk versorgt einen Patienten
André Hemping-Bovenkerk im Gespräch mit einem Patienten in der Gesundheitsstation © André Hemping-Bovenkerk, DRK

Normalerweise beginnt einige Monate nach der Katastrophe die Phase, in der Hilfsprojekte an örtliche Kräfte oder an Behörden übergeben werden. Doch diese sind in Haiti fast nicht zu finden, gerade auch deshalb, weil es Haitis Hauptstadt und damit zentrale Organisations- und Verwaltungsstrukturen schwer getroffen hat. Der Einsatz in der Karibik wird wohl weit länger dauern als normalerweise geplant. Und bereits jetzt steht fest, dass das Deutsche Rote Kreuz dank der Spendengelder seine Hilfe mindestens bis zum Jahresende wird fortsetzen können.

Bislang waren über 900 Helfer des Roten Kreuzes aus den verschiedensten Ländern im Einsatz und in den kommenden Monaten werden noch Hunderte hinzukommen. Es ist gut zu sehen, wie viele Menschen aus so vielen Nationen gemeinsam etwas bewirken und verbessern können. Gerade das macht die Situation für die Helfer erträglich. Etwa drei Wochen werde ich noch in Haiti bleiben und hoffe, dass es gelingt, die Weichen für eine langfristige Hilfe für die Menschen in Haiti zu stellen, so dass der Wiederaufbau beginnen kann.

2 Kommentare zu “Haiti: 100 Tage nach dem Erdbeben 2/2

  1. Die Arbeit der Menschen vor Ort sollte man defintiv loben und zu schätzen wissen. Ich selbst weiß nicht, ob ich die Kraft hätte mir das bestehende Elend dort anzuschauen, auch wenn ich helfen wollte. Ich finde es daher bewundernswert, dass es Menschen gibt, die die Kraft dafür haben. Aber wenn man nicht vor Ort helfen kann, dann sollte man sich andere Wege suchen, um zu helfen.

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