Foto: Portrait einer irakischen Mutter und ihres erwachsenen Sohnes

Irak: „Jetzt können wir wieder unsere Miete bezahlen“

Am 02.03.2018 von Oana Bara
Foto: Portrait einer irakischen Mutter und ihres erwachsenen Sohnes
Bewohner der Gastgemeinden im Irak: Arda und ihr ältester Sohn beim DRK-Besuch im Januar 2018.

Die Syrien-Krise und die damit verbundene Flucht von ungefähr 5,3 Millionen Menschen hat nicht nur schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen selber, sondern auch auf das der aufnehmenden Gemeinden. In Dohuk, Nord-Irak, sind bis heute knapp 90.000 syrische Flüchtlinge eingetroffen. Zusätzlich dazu kommen viele Binnenvertriebene ebenfalls in die Region.

Ein solcher Bevölkerungszuwachs ist für die Region, in der bereits vor der Syrien- und der momentanen Wirtschafts-Krise Ressourcen knapp waren, eine Herausforderung. Das Deutsche Rote Kreuz führt aus diesem Grund Bargeldprojekte durch, die nicht nur die Geflüchteten unterstützen, sondern auch die Mitglieder der aufnehmenden Gemeinden. Diese regelmäßigen Bargeldauszahlungen geben den betroffenen Menschen die Möglichkeit, das zu besorgen, was sie wirklich brauchen. Gleichzeitig gibt ihnen die Freiheit, aussuchen zu können, ein Stück Würde und Autonomie zurück.

Foto: Warteschlange bei einer Bargeldverteilung im Irak
Nicht nur im Irak: Bargeldverteilungen haben sich in der humanitären Hilfe bewährt.

Bei unserem Besuch in Dohuk haben wir die Möglichkeit, mit Arda zu sprechen. Sie und ihr Mann leben zusammen mit ihren zwei Söhnen und deren Familien in der Bergstadt. Die ganze Familie ist stark betroffen von den Auswirkungen der Syrien-Krise. Arda schildert, wie sich ihre Situation in den letzten Jahren verändert hat und was die Unterstützung des Roten Kreuzes für sie bedeutet.

Arda, Sie werden vom DRK mit Bargeld unterstützt – was können Sie mit diesen Beträgen kaufen?

Das Erste, was wir bezahlt haben, ist die Miete. Wir haben zu dem Zeitpunkt seit mehr als einem Jahr keine Rechnungen mehr begleichen können. Daher ist es immer das Haus, um das wir uns als erstes kümmern, damit wir weiterhin ein Dach über dem Kopf haben. Die Mieten sind stark gestiegen. Auch das normale Leben ist in letzter Zeit sehr viel teurer geworden. Lebensmittel und Haushaltswaren sind mittlerweile fast unerschwinglich. Dass alles so viel teurer geworden ist, hat verschiedene Gründe. Das Deutsche Rote Kreuz ist die erste und einzige Organisation, von der wir Hilfe erhalten. Dafür sind wir sehr dankbar.

Gibt es noch Arbeit für die Menschen hier?

Mein ältester Sohn und mein Mann arbeiten beide in administrativen Berufen für die lokale Regierung, allerdings ohne geregelten Vertrag. Beide zusammen erhalten ca. 150 US-Dollar monatlich für ihre Arbeit. Das reicht nicht aus, um eine Familie zu ernähren. Aus diesem Grund können wir auch solche alltäglichen Dinge, wie die Miete, nicht bezahlen. Alles hat sich verändert und wir versuchen, das Beste daraus zu machen.

Was sind weitere Dinge, die sie benötigen?

Mit dem wenigen Lohn, den mein Mann und mein Sohn nach Hause bringen, fehlt es uns an allem. Vor den Krisenzeiten lag ihr Gehalt pro Person bei 300 US-Dollar. Jetzt ist es uns unmöglich mit 150 US-Dollar im Monat eine 10-köpfige Familie zu ernähren. Das bedeutet, dass wir dazu gezwungen sind Schulden anzuhäufen. Sei es auf dem Markt oder beim Vermieter. Mein Sohn hat eine Hauterkrankung, die regelmäßig behandelt werden muss. Es ist unmöglich für uns, die Arztgebühren und vielen Medikamente zu bezahlen, deshalb geht er nur zur Behandlung, wenn gerade genug Geld da ist. Deshalb ist es für uns auch so wichtig, Geld und nicht Lebensmittel oder andere Güter zu erhalten. So können wir mit geringen Beträgen sehr weit kommen. Beispielsweise kaufen wir immer nur ein bisschen Kerosin für unseren Ofen. So bleibt etwas übrig, wenn mal ein Notfall eintrifft oder unerwartete Rechnungen zu bezahlen sind.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Für die Zukunft wünsche ich mir nur, dass es meiner Familie gut geht. Es ist nicht einfach gewesen in den letzten Jahren. Auch mein Mann ist sehr krank. Er hat hohen Blutdruck und ist Diabetiker. Das notwendige Insulin können wir ebenfalls nur dann besorgen, wenn genug Geld da ist. Das heißt, es gibt Tage, an denen es ihm sehr schlecht geht. Das ist schwierig mit anzuschauen, denn ich kann nichts tun, damit es besser wird. Zusätzlich haben wir fast 500 US-Dollar Schulden auf dem Markt, die wir nicht begleichen können. Schulden zu haben ist ganz besonders schwierig für uns, denn wir haben immer ein gutes und ehrliches Leben geführt und konnten für unsere Familie aufkommen. Wir geben aber die Hoffnung nicht auf – wir sind zusammen und das ist das Wichtigste.

Foto: Eine Seniorin bei einer Bargeldverteilung des Irakischen Roten Halbmonds und DRK
Bargeldhilfen im Irak: Flexible Hilfe für die Bedürftigen

Bargeldzahlungen in der humanitären Hilfe

Einheitliche Hilfsgüter wie Hygienesets oder Nahrungsmittelpakete sind unentbehrlich. Jedoch können damit häufig nicht alle existenziellen Bedürfnisse gedeckt werden. So benötigt eine Familie z.B. Medikamente für die Behandlung einer Krankheit, während eine andere Familie die nächste Monatsmiete nicht begleichen kann. Durch einmalige oder wiederholte Hilfszahlungen ermöglicht das DRK, mit Finanzierung durch das Auswärtige Amt, den Menschen, ganz persönliche Bedürfnisse zu stillen. Gleichzeitig tragen diese Zahlungen dazu bei, die Eigenständigkeit und Würde der Betroffenen zu erhalten.

» Erfahren Sie mehr über die Flüchtlingshilfe des DRK im Irak.

» Lesen Sie, warum sich Bargeldzahlungen in der humanitären Hilfe bewährt haben.

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Fotos: Oana Bara/DRK

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Foto: Portrait einer DRK-Delegierten Oana Bara
Als globale Kommunikationsdelegierte des DRK besucht Oana Bara seit 2017 Hilfsempfänger und Projekte und berichtet in Text und Bild von der Arbeit des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) weltweit. In den vergangenen Monaten war sie auch mehrfach in der Ukraine und brachte von dort zahlreiche Eindrücke mit.

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