Wir betreten einen dunklen Rohbau in einer wunderschönen Gegend im bergigen Dohuk, Nord-Irak. Im Eingangsbereich ist es feucht und eisig kalt und mir ist erst nicht klar, wo hier eine junge Familie mit drei Kindern leben soll. Kaum betreten wir aber ihren abgetrennten Wohnbereich, steigt mir der Duft von Kaffee in die Nase – welcher uns unmittelbar angeboten wird. In der Mitte des Raumes steht ein Kerosinofen, der der Familie notwendige Wärme spendet. Nasim und Sosan empfangen uns mit einem Lächeln, zwei ihrer drei Kinder, Rayan (3) und Welat (4), mustern schüchtern den seltenen Besuch. Yosuf, der Älteste, ist in der Schule.
Rund 90.000 Flüchtende haben in Dohuk ein Zuhause gefunden. Viele der aus Syrien stammenden Menschen leben in Notunterkünften, in unfertigen Gebäuden oder Flüchtlingscamps in der ganzen Region. So auch die Familie Ali. Um der Familie ein Dach über dem Kopf bieten zu können, baut der Hausbesitzer seit nunmehr fünf Jahren nicht weiter. Eine Methode, die viele Menschen aus dem Nord-Irak anwenden, um Wohnraum für die Menschen aus Syrien zu garantieren: Man stellt seine eigenen Bedürfnisse zurück, damit andere Schutz bekommen. Manche Flüchtlinge haben das Glück, eine Wohnung zu mieten – dies aber nur, wenn der Vermieter es nicht ganz so streng nimmt mit der Miete, denn für die meisten ist es nicht möglich, regelmäßig für alle Lebenskosten aufzukommen.

„Wir mussten fliehen, sonst hätten wir nicht mehr überleben können“
2013 ist die Familie von Derek, im Nordosten Syriens, nach Dohuk geflüchtet. Mit dem Auto zur Grenze und von dort aus zu Fuß. Einen Tag lang marschierte die damals schwangere Sosan mit ihrem zweijährigen Sohn Yosuf und ihrem Mann Nasim, bis sie endlich das Flüchtlingscamp in Domiz, Dohuk erreichten und sich als Flüchtlinge registrieren konnten.
Die beiden erklären mir, dass sie in Syrien keine Möglichkeit mehr hatten zu arbeiten. Dazu wurde die Sicherheitslage immer schlimmer. „Unser Leben dort war zerstört und so blieb uns nichts anderes übrig, als an einen sicheren Ort zu fliehen“, erklärt Nasim. In ihrer Heimat war Sosan Arabischlehrerin und Nasim Maurer. Während es für die junge Mutter unmöglich ist, in Dohuk als anerkannte Lehrerin zu arbeiten, da sie die Staatsbürgerschaft nicht besitzt, hat ihr Mann die Familie anfangs über Wasser halten können. Das hat sich drastisch geändert, als er vor drei Jahren bei der Arbeit aus dem dritten Stock gefallen ist und sich stark verletzt hat. Lachend fügt Sosan hinzu, dass auch sie am selben Tag in das gleiche Krankenhaus gebracht wurde, da sie ihr drittes Kind erwartete.

Bargeldhilfe durch das Rote Kreuz
Die Alis sind eine von vielen Familien, die vom Deutschen Roten Kreuz mit Bargeldbeträgen unterstützt wird. In Zusammenarbeit mit dem Irakischen Roten Halbmond und finanziert durch das Auswärtige Amt, wurden im gesamten Projekt rund 12.240 Familien mit Bargeld für die Sommermonate begünstigt. In den Wintermonaten wiederholt sich die Verteilung an weitere gefährdete Familien. Diese Art von Hilfe hat spürbare Vorteile, denn trotz der andauernden Krise im benachbarten Syrien funktionieren die lokalen Märkte in den Dörfern und Städten hier weiterhin. Die geflüchteten Menschen erhalten auf diese Weise ein Stück Freiheit, Eigenverantwortung und Würde zurück. Gleichzeitig fördert jeder Einkauf die lokale Wirtschaft. So werden aus Schutzsuchenden willkommene Nachbarn. Damit leisten wir einen aktiven Beitrag zur Vermeidung von Konflikten und zur Integration.
Sosan betont, dass sie ohne diese Hilfe große Schwierigkeiten hätte, ihre Familie durch den kalten Winter zu bringen. So kann sie entscheiden, wie das Geld am besten eingesetzt wird. Wenn eines ihrer Kinder krank ist oder neue Kleidung braucht, kann sie sich darum kümmern. Auch ihren Kerosinofen, um den die Familie jeden Tag sitzt, haben sie mit diesem Geld kaufen können.
» Erfahren Sie mehr über die Flüchtlingshilfe des DRK im Irak.
» Lesen Sie, warum sich Bargeldzahlungen in der humanitären Hilfe bewährt haben.
» Helfen Sie uns zu helfen – mit Ihrer Spende!
Fotos: Oana Bara/DRK