Seit März dieses Jahres arbeite ich im DRK-Generalsekretariat als Referentin für Westafrika und bin Teil eines Teams, das zuständig ist für den Ebolaeinsatz, den wir im Auftrag der Bundesregierung seit Oktober 2014 in Liberia und Sierra Leone durchführen.
Ebola: DRK-Hilfe durch Infektionsklinik und Hilfsgüter
Dieses Team arbeitete unter Hochdruck an der Koordination und dem Betrieb einer Infektionsklinik in Monrovia und hat zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 65 Mitarbeiter in den Auslandseinsatz gebracht. Unterstützend wurden durch das DRK-Logistikzentrum am Flughafen Berlin Schönefeld drei Hilfsflüge mit Generatoren, persönlicher Schutzausrüstung und medizinischem Equipment nach Sierra Leone und Liberia organisiert.

Mein Arbeitsbeginn Anfang März fiel zusammen mit einem drastischen Rückgang der Ebola-Neuinfektionen in Liberia. In diesen Wochen waren wir damit beschäftigt, Güter vor Ort an unsere Rotkreuz-Schwestergesellschaft in Liberia zu übergeben, Büroräume und Appartements für unsere Projektmitarbeiter zu finden und zusammen mit unserem Partner, dem Liberianischen Roten Kreuz, zwei neue Projekte vorzubereiten, die das DRK in den nächsten zwei Jahren unterstützen wird.
Wie geht es nach der Epidemie weiter?
Ende Juni fand in Monrovia ein Treffen aller in Liberia tätigen Rotkreuz-Schwesterngesellschaften statt, um die gemeinsame Strategie zur Unterstützung Liberias nach Ebola zu besprechen. Denn das Gesundheitssystem liegt am Boden, die sanitäre Infrastruktur des Landes ist ungenügend, und es gibt kaum Zugang zu sauberem Wasser. In Liberia sind seit Frühjahr 2014 mehr als 10.700 Menschen an Ebola erkrankt. Etwa 60 Prozent von Ihnen haben die Virusinfektion aber überlebt. Viele, die Ebola überlebt haben, werden von ihren Familien gemieden und sozial ausgegrenzt. Weit verbreitetes Unwissen und Angst vor einer Ansteckung schließt viele Überlebende und ihre Familienangehörigen aus der Gemeinschaft aus und bringt erhebliche psychische Belastungen. Sie haben nicht nur – oft sogar viele – Familienmitglieder verloren, sondern auch einen Teil ihres Hab und Guts, weil es aufgrund der möglichen Viruslast einbehalten und verbrannt wurde.

Die Schwestergesellschaften wollen das Liberianische Rote Kreuz nun darin unterstützen, eine psychosoziale Begleitung für Betroffene zu gewährleisten. Außerdem soll – in Zusammenarbeit mit den Gemeinden – verstärkt Aufklärung über Infektionskrankheiten und die Wiedereingliederung von Betroffenen stattfinden. Im Strategietreffen wird auch vereinbart, welche der ausländischen Rotkreuzgesellschaften das Liberianische Rote Kreuz in welchen Teilen des Landes bei welchen Projekten unterstützen werden.
Am Abend des letzten Tages des Treffens nahm ich teil an einem gemeinsamen Essen aller Vertreter von Rotkreuz-Schwestergesellschaften, welche mit dem Liberianischen Roten Kreuz zusammenarbeiten. Es herrschte eine ausgelassene Stimmung. Die Erleichterung der seit Monaten auf Hochtouren arbeitenden Kollegen des Liberianischen Roten Kreuzes und der Internationalen Föderation ist zu spüren. Wir tanzen gemeinsam – Körperkontakt ist seit der Ebola-frei-Erklärung der WHO Anfang Mai endlich wieder erlaubt. Afrika ohne anfassen – es gibt wohl kaum einen Kontinent, auf dem sich ein solches Verbot so fremd anfühlt wie hier.
Besuch in der DRK-Projektregion Grand Cape Mount

Am nächsten Tag fuhren wir gemeinsam mit den liberianischen Kollegen in die DRK-Projektregion Grand Cape Mount. Auf dem Weg dorthin müssen wir alle Paar Kilometer anhalten und aussteigen, um unsere Hände zu waschen und Fieber zu messen. Diese erhöhten Kontrollmaßnahmen werden bis 90 Tage nach der Ebola-Frei Erklärung eingehalten.
Es war Regenzeit, und nicht selten schlitterten wir auf vielen Straßen und Wegen durch die Schlammlöcher. Nicht selten fahren wir uns fest und müssen das Auto aus dem Schlamm wieder befreien. Den wenigen Motorrädern, die ebenfalls auf dieser Strecke fahren, geht es nicht anders. Die Fahrten sind gefährlich. Leicht rutschen die Motorradfahrer aus. Diese Strecke fahren die Mitarbeiter und freiwilligen Helfer des Liberianischen Roten Kreuzes bis zu dreimal am Tag, um den unter Ebola-Infektionsverdacht stehenden und zu Quarantäne angehaltenen Haushalten Essen zu bringen und Fieber zu messen.
In meinen Gesprächen wird deutlich, welche Herausforderungen und welches Brechen vieler Traditionen die Bekämpfung des Ebola-Virus mit sich gebracht hat. Das sich immer weiter verbreitende Virus verlangte eine schnelle und oft radikale Reaktion der Gesundheitsteams, die aufgrund der Dringlichkeit kaum Rücksicht auf Kultur und Tradition nehmen konnten.

Erkrankte wurden von den Nichtkranken strikt getrennt. Die Folge: Verwandte konnten sich nicht mehr von den Verstorbenen verabschieden. Zudem wurden Verstorbene anfänglich auch noch verbrannt. Eine solche Praxis stand im absoluten Gegensatz zum traditionellen Umgang mit Verstorbenen in Liberia. Die Menschen wurden zutiefst in ihren Grundfesten erschüttert. Die sich abzeichnende Angst, Panik und Wut der Menschen ist nur zu verständlich. Wie sollten sie damit umgehen, wenn Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums, des Roten Kreuzes und anderer Organisationen in voller Schutzkleidung, also auch mit maskierten Gesichtern, in die Dörfer kamen, kranke Menschen mitnahmen und diese danach in vielen Fällen nie mehr gesehen wurden?
Der Ebola-Ausbruch hat die Menschen in den drei westafrikanischen Ländern Guinea, Sierra Leone und Liberia hart getroffen. Liberia kommt nicht zur Ruhe. Das Land ist erst seit 2003 ohne Krieg. Staatliche Strukturen werden gerade errichtet, das Gesundheitssystem ist bisher nur unzureichend ausgebaut. Die Liberianer konnten sich jahrelang nicht auf ihre Regierung, auf staatliche Strukturen oder öffentliche Versorgungseinrichtungen verlassen. Kranke und zu versorgende Familienangehörige sind auf die unmittelbare Versorgung und Fürsorge der Familie und des Dorfes angewiesen. Ein Paradox bei einem Virus, bei dessen Bekämpfung das wichtigste Ziel ist, Kranke von Gesunden zu isolieren, um die Infektionskette zu durchbrechen. Solche Maßnahmen stehen im starken Gegensatz zu den kulturellen Gegebenheiten Liberias, in denen sich Familie und Gemeinden direkt um die Pflege von Kranken und um das Begräbnis von Verstorbenen kümmern.
Ohne die Rotkreuz-Freiwilligen wäre die Eindämmung des Virus kaum möglich gewesen

Einen Zugang von außen zu einer solchen Gesellschaft zu bekommen, die jahrelang von ihren Regierungen enttäuscht und drangsaliert wurde, ist extrem schwierig. Insbesondere Mitarbeiter des Roten Kreuzes und Rotkreuz-Freiwillige, ohne deren Einsatz eine Eindämmung des Virus kaum möglich gewesen wäre, haben Heldenhaftes geleistet. Sie haben ihre eigene Gesundheit und ihr soziales Umfeld dafür aufs Spiel gesetzt, um anderen zu helfen. Auch der eigens geschriebene Pop-Song „Ebola is real“ hat dazu beigetragen, Informationen über das Virus, dessen Übertragungswege und Maßnahmen zum eigenen Schutz hinaus in die Bevölkerung zu tragen. In Westafrika läuft eben nicht nur der Wahlkampf über Musik …
Am Tag vor meiner Abreise kam dann der Rückschlag. Es gibt einen neuen bestätigten Ebola-Fall in der Nähe von Monrovia. Insgesamt sterben Anfang Juli weitere vier Menschen an dem Virus. Doch Liberia ist nun besser vorbereitet und es werden anschließend keine neuen Fälle mehr bestätigt. Im September wurde das Land erneut für Ebola-Frei erklärt. Ende November, fast vier Monate nach der letzten Neuerkrankung, gibt es wieder drei neu bestätigte Fälle. Es sind Rückschläge, doch die Unterstützung bleibt bestehen und Liberia ist nun weit besser vorbereitet, mit einzelnen Neuerkrankungen so umzugehen, dass es bei Einzelfällen bleiben wird.
Unsere Projekte in Westafrika:
- Liberia: Unterstützung für ehemaliges Ebola-Gebiet
- Togo: Höhere Ernteerträge in der Region Maritime
- Togo: Frühwarnsystem bei Klimakatastrophen
- Liberia: Kampf gegen Ebola
- Nigeria: Infektionskrankheiten sicher eindämmen
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Fotos: Victor Lacken/ IFRC, Liberianisches Rotes Kreuz, DRK / Björn Düß, DRK/ Dr. Maren Landschulze, IFRC