Libanon: Bargeldhilfen für besonders Bedürftige

Am 06.08.2019 von Oana Bara

Libanesische Mutter am Bett ihres Sohnes

„Wir hatten nie viel. Ich bin seit meinem 17. Lebensjahr Vollwaise und musste meine zehn jüngeren Geschwister großziehen. Ich habe jeden erdenklichen Job bis jetzt ausgeführt. Lebensmittelverkäufer, Glaser, Umzugshelfer. Dann habe ich meine Frau kennengelernt. Ich war 30 und wusste, jetzt ist es für mich an der Zeit meine eigene Familie zu gründen.“

Sahira und Jamil Skandar aus Hermel, Libanon, sind seit 35 Jahren verheiratet und haben fünf Kinder – drei Söhne und zwei Töchter. Zwei ihrer Söhne, Shadeh (26) und Ali (21) leben mit schwerwiegenden Behinderungen und sind vollständig pflegebedürftig. Die fehlende Mobilität der beiden bringt die Familie seit Jahren an ihre Grenzen.

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Die Betreuung der pflegebedürftigen Söhne braucht viel Zeit

Das Leben des Paares lässt ihnen nicht viel Zeit füreinander. Ihre Töchter sind zwar beide verheiratet und ihr dritter Sohn jeden Tag in der Schule, aber die Pflege von Shadeh und Ali nimmt ihre gesamte Zeit in Anspruch.

Beide Söhne müssen künstlich ernährt werden. Das bedeutet nicht nur, dass die Familie teure Geräte benötigt, sondern auch, dass ebenfalls das Essen der beiden besorgt werden muss. Ein leerer Behälter für die Ernährung über eine Sonde kostet 11 US-Dollar. Shadeh und Ali brauchen je fünf solcher Behälter am Tag, das sind Kosten von 770 US-Dollar in der Woche, knapp 3.000 US-Dollar im Monat.

Weil sich die Familie das nicht leisten kann, sterilisiert die Mutter die Behälter und verwendet sie immer wieder aufs Neue, anstatt, wie üblich, bei jeder Mahlzeit neue zu verwenden. Auch die Sondennahrung, wird von der Mutter zubereitet. Sie verkocht Gemüse, Früchte, Kohlenhydrate, Milch und Olivenöl, um alles anschließend zu trocknen und zu verpulvern. Bei Bedarf mischt sie das Pulver mit Wasser und füllt die leeren Behälter.

Sahira und Jamil sind zudem beide sehr krank. Jamil kämpft seit 20 Jahren mit Nierenproblemen, was sich 2009 in einem doppelten Nierenversagen niederschlug. Die Transplantation einer Niere, die ihm seine Frau gespendet hat, rettete ihm das Leben. Doch er ist sein Leben lang von teuren Medikamenten abhängig, die sie sich kaum leisten können.

Ganzheitliche Unterstützung für Bedürftige im Libanon

Die Syrienkrise und die damit verbundene Flucht von ungefähr 5,7 Millionen Menschen hat nicht nur schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen selbst, sondern auch auf das der aufnehmenden Gemeinden. Bis heute sind knapp 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge im Libanon eingetroffen.

Ein solcher Bevölkerungszuwachs ist für die Region, in der bereits vor der Syrien- und der momentanen Wirtschaftskrise Ressourcen knapp waren, eine Herausforderung. Das DRK führt aus diesem Grund mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes Bargeldprojekte durch, die nicht nur die Geflüchteten unterstützen, sondern auch die Mitglieder der aufnehmenden Gemeinden, wie die Familie Skandar. Diese regelmäßigen Bargeldauszahlungen geben den betroffenen Menschen die Möglichkeit, das zu besorgen, was sie wirklich brauchen. Gleichzeitig gibt ihnen die Freiheit, aussuchen zu können, ein Stück Würde und Autonomie zurück.

Einheitliche Hilfsgüter wie Hygienesets oder Nahrungsmittelpakete sind unentbehrlich. Jedoch können damit häufig nicht alle existenziellen Bedürfnisse gedeckt werden. So benötigt eine Familie z. B. Medikamente für die Behandlung einer Krankheit, während eine andere Familie die nächste Monatsmiete nicht begleichen kann. Durch wiederholte Hilfszahlungen ermöglicht das Rote Kreuz den Menschen, ganz persönliche Bedürfnisse zu stillen. Gleichzeitig tragen diese Zahlungen dazu bei, die Eigenständigkeit und Würde der Betroffenen zu erhalten.

Bedürftiger im Libanon zeigt Medikamentenregal
Jamil Skandar vor dem Medikamentenschrank der Familie.

Willkommene Hilfe

Die Bargeldunterstützung des Roten Kreuzes kann zwar nicht die gesamten Behandlungskosten und Medikamente der Familie Skandar decken, jedoch gibt ihnen der monatliche Betrag eine Sicherheit, für die sie sehr dankbar sind.

„Unser Mixer, den wir für die Zubereitung des Essens unserer Söhne benötigen, ist letzten Monat kaputt gegangen. Ohne die Rotkreuz-Unterstützung hätten wir uns kein neues Gerät leisten können.“

Auch kann das Paar Essen und Kleidung von dem Geld kaufen. Zuvor waren sie auf die Hilfsbereitschaft ihrer Familie und Nachbarn angewiesen, die immer wieder ihre Unterstützung anbieten. Auch der Supermarkt, in dem sie einkaufen gehen, weiß von dem Schicksal der Familie und gibt ihnen Kredit, wann immer sie es benötigen. Nichtsdestotrotz ist der Familienvater froh, mit dem eigenen Geld das zu kaufen, was wirklich gebraucht wird, ohne dass ihr Umfeld einspringen muss.

„Sorgen und Traurigkeit sind in unserem Haus nicht erlaubt. Wir würden alles für unsere Kinder tun und wollen nur, dass sie so glücklich wie möglich ihr Leben leben.“

Trotz ihres Schicksals ist die Familie Skandar glücklich und lacht viel. Sie sind gerne aktiv und hoffen, dass auch sie irgendwann ein normales Leben führen können. Sie wünschen sich, auch mal gemeinsam etwas unternehmen zu können und mit Nachbarn und Familie Zeit zu verbringen.

» Erfahren Sie mehr über die DRK-Hilfe im Libanon!

» Erhalten Sie mehr Informationen über die Hilfe in Syrien und seinen Nachbarländern.

Fotos: Oana Bara/DRK

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Foto: Portrait einer DRK-Delegierten Oana Bara
Als globale Kommunikationsdelegierte des DRK besucht Oana Bara seit 2017 Hilfsempfänger und Projekte und berichtet in Text und Bild von der Arbeit des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) weltweit. In den vergangenen Monaten war sie auch mehrfach in der Ukraine und brachte von dort zahlreiche Eindrücke mit.

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