Mit dem Roten Kreuz als Hebamme Menschen in Flüchtlingslagern zu versorgen ist beeindruckend, sowohl im positiven als auch im negativen Sinn. Zum Einsatz gehören schlimme Zustände in den Lagern und Begegnungen mit beeindruckenden Menschen. Und die Erkenntnis: Ich mache das immer wieder gern.
Mission Greece

Im Auslandseinsatz zu sein bedeutet, in einer anderen Welt zu sein, aber auch das Leben in all seinen Facetten in kürzester Zeit kennenzulernen. Im Frühling habe ich in Nordgriechenland als Hebamme das Rote Kreuz in Flüchtlingslagern unterstützt.
Seit die Balkanroute für Flüchtlinge geschlossen ist, harren mehrere Zehntausend Männer, Frauen und Kinder in Griechenland aus. Die Bedingungen in den Flüchtlingslagern sind teils schlimm und die Versorgung der Menschen ist mangelhaft. Um die Flüchtlinge medizinisch behandeln zu können, hat das Deutsche Rote Kreuz gemeinsam mit dem Finnischen Roten Kreuz im März 2016 Gesundheitsstationen in den Flüchtlingslagern aufgebaut.
Erst Trainingscamp, dann Einsatz
Der Einsatz ist ein sogenannter ERU (Emergency Response Unit) Einsatz des Roten Kreuzes. Um dort arbeiten zu können, habe ich in mehrere spezielle Trainings des Roten Kreuzes für Auslandmitarbeiter durchlaufen.Hier wurde ich auf die Rahmenbedingungen und die praktischen Herausforderungen im Einsatz vorbereitet. Dazu gehören zum Beispiel Erste Hilfe am Einsatzort, Brände löschen, die Grundregeln des Mobilfunks, die Fahrtüchtigkeit eines Autos prüfen und im Gelände fahren.
Das Generalsekretariat des DRK in Berlin fragt bei Bedarf an, ob und ab wann ich zur Verfügung stehe. Ich bin freiberuflich tätig und es ist bei mir unterschiedlich, wie schnell ich verfügbar sein kann. Das kann von einer Woche bis vier Wochen variieren,
Von Lager zu Lager

Mein Einsatz in Griechenland startete am 30. Mai für drei Wochen. Ich war in zwei Flüchtlingscamps nahe der griechisch-mazedonischen Grenze tätig, in Nea Kavala und Cherso mit jeweils etwa 4000 Flüchtlingen und zusätzlich mit einer mobilen Klinik in Kortelio, einem Stadtteil von Thessaloniki, wo sehr viele Flüchtlinge aus dem aufgelösten Camp Idomeni in einem verlassenen Industriegelände mit Fabrikhalle untergebracht wurden.
Mein Tag begann mit der Abfahrt in Kilkis, wo unser ganzes Team in einem Hotel Morgens fuhren wir um 7.45 Uhr los wir mit einem Team aus einer bis drei Krankenschwestern/-pflegern, einer bis zwei Ärztinnen/Ärzten, je nach Plan einer Psychologin, Dolmetschern und Dolmetscherinnen und mir als Hebamme zu unserem Einsatzort.
In unmittelbarer Nähe zu den Flüchtlingscamps hatte die vorangegangene ERU bereits Mitte März 2016 jeweils eine BHCU (Basic Health Care Unit) errichtet. Das kann man sich als ambulantes Behandlungszentrum vorstellen, mit einem Zelt mit mehreren Behandlungsplätzen, wo ärztliches und Pflegepersonal arbeiten, einer Mutter-Kind-Station – „meinem“ Zelt –, einem Apothekencontainer und einem Warenlager.
Hebamme im Camp: Anders und doch ähnlich

Oft warteten die Patienten schon vor Ort auf uns. Um 9 Uhr starteten wir mit der Sprechstunde, überwiegend mit Dolmetschern, Männer und Frauen, die aus dem Arabischen oder Kurdischen ins Englische übersetzten. Da ich als Hebamme überwiegend mit Patientinnen zu tun hatte, war es naheliegend, dass ich auch eine Dolmetscherin, Faraah, an meiner Seite hatte, Trotz dieser Sprachbarriere fand ich es immer wieder beeindruckend, wie persönlich die Gespräche und Kontakte mit den Menschen waren. Da die Trainings des DRK und die „Amtssprache“ in dieser und meiner vergangener Mission Englisch war, war es leicht, sich wieder hineinzufinden.
In der Mutter-Kind-Station standen mir alle Geräte zur Verfügung, die ich als Hebamme für meine tägliche Arbeit benötige. Allerdings war es uns Hebammen nur im Notfall erlaubt, Geburten im Zelt zu begleiten. Die Frauen sollten besser in die nah gelegene Klinik nach Kilkis verlegt werden.
Eine meiner Aufgaben war es, die Vorsorgen bei den Schwangeren durchzuführen, bei Beschwerden wie zum Beispiel Hyperemesis zu helfen, die Wochenbettbetreuung zu machen und auch das Thema „Was kommt nach der Stillzeit?“ zu behandeln. Schön zu sehen, dass es in einem anderen Teil Europas unter ganz anderen Bedingungen doch so ähnlich ist und mir nichts unbekannt schien.
Oft machte ich mit meiner Dolmetscherin Zeltbesuche, um nach Mutter und Kind zu schauen und zu helfen. Beeindruckend war immer wieder die Freundlichkeit und Gastfreundschaft der Menschen, deren einziges Hab und Gut in diesem kleinen Zelt war und die trotzdem Essen und Trinken mit mir teilen wollten. Etwas, was mich beschämt hat, wenn ich daran denke, wie diese Menschen in Deutschland manchmal empfangen und behandelt werden.
Verbrennungen, Infektionen, Läuse

Eine gute Voraussetzung, um in der ERU zu arbeiten, ist flexibel zu sein. Dazu gehört auch mal, Kisten zu schleppen oder auszuräumen. Da ich auch Kinderkrankenschwester bin und sowohl mit Kindern als auch mit Senioren gearbeitet habe, war es für mich selbstverständlich, alle Patientengruppen zu behandeln.
So kümmerte ich mich beispielsweise auch um Verbnrennungen oder Infektionen, Fieber, Erbrechen oder Durchfall. Neben Verletzungen an Füßen und Beinen, die oftmals schlechtem Schuhwerk und kilometerlangen Fußmärschen geschuldet waren, war die Bekämpfung von Läusen in den Lagern ein dauerhaftes Thema. Doch mit den richtigen Medikamenten konnte den Patienten geholfen werden. Da uns aber nicht immer alle Medikamente ausreichend zur Verfügung standen, mussten wir immer gut abschätzen, wie viel wir ausgeben, damit für den Nächsten auch noch was da ist.
60 bis 110 Patienten am Tag
Zusätzlich zu den BHCUs stand im Einsatz auch eine Mobile Klinik zu Verfügung. Das heißt, eine Krankenschwester oder Hebamme, ein Dolmetscher und manchmal auch ein Rettungsassistent fuhren mit einem großen Krankenwagen nach Thessaloniki, um die Menschen dort im Camp zu versorgen. Auch hier gab es die gleichen Probleme wie in den anderen Camps und Hilfe war nötig. Auffällig war, dass dort sehr viele Menschen mit Läusen und Insektenstichen zu kämpfen hatten.
In Notfällen und zur weiteren Diagnostik bestand immer die Möglichkeit, mit den Krankenhäusern in Thessaloniki und Kilkis zusammenzuarbeiten.
Wenn um 18 Uhr unsere Sprechstunden endetden, hatten wir etwa 60 bis 110 Patienten pro Camp behandelt. Anschließend hatten wir Team-Meetings und kümmerten uns darum, welche Medikamente und medizinische Materialien bestellt oder in die Apotheke ins Camp oder die mobile Klinik mitgenommen werden mussten, und erstellten Dienstpläne.
Beeindruckende Menschen

Es sind diese Tage, die ausgefüllt waren mit guten und schlechten, mit traurigen und ganz hoffnungsvollen, freudigen Erfahrungen, die ich nicht missen möchte. Zudem die beeindruckenden Menschen, die ich kennenlernte, sowohl unter den Flüchtlingen als auch in unserem Team. Das bestand aus Menschen aus vielen verschiedenen Ländern: Finnland, Norwegen, Island, China, Japan, Kanada, Schweiz. Alle haben etwas Wichtiges gemeinsam: den Wunsch, Hilfe und Unterstützung zu geben. Das ist etwas, was einen selbst in schwierigen Situationen trägt.
Meine Kollegin Satuu, eine finnische Krankenschwester, hat es auf den Punkt gebracht: „Wir geben viel, aber wir bekommen viel mehr zurück.“
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Der Artikel „Mission Greece“ erschien erstmalig im DHV Hebammenforum.
Fotos: Ariane Schürmann