Nepal: Das Ende eines Traums

Am 13.05.2015 von Andrea Reisinger

Foto: zerstörte Häuser in Nepal

Narayan Karkis Traum war es, als Buchhalter genug Geld zu verdienen, um seine Familie im Bezirk Sindhuli zu unterstützen. Das Erdbeben hat ihn mit einem Schlag zu einem obdachlosen Hilfsempfänger gemacht. Nepal braucht weiter dringend Spenden.

Ungewisses Leben im Provisorium

Das Erdbeben vom 25. April hat Narayans Dorf in den Bergen fast gänzlich zerstört. Die Einwohner leben jetzt in wackeligen Provisorien, unter Plastikplanen, die die wenigen Besitztümer der Familien vor Regen schützen.„Versuchen Sie, darunter zu bleiben“, sagt er mit einer einladenden Geste. „Sie werden es keine fünf Minuten aushalten, so heiß ist es!“

Foto: Narayan Karki mit anderen jungen Menschen in seinem Dorf.
Narayan Karki steht vor einer ungewissen Zukunft. Seine Familie ist seit dem schweren Erdbeben in Nepal obdachlos, seine Ausbildung musste er abbrechen.

Die Regensaison ist im Anmarsch und die Temperaturen in Nepal erreichen 30 Grad und mehr. Die traditionellen Stein- und Lehmhäuser schützten die Dorfbewohner gut gegen die Sonne, aber sie waren nicht stark genug für das Erdbeben.

Zum Zeitpunkt des Bebens studierte Narayan an der Hochschule in Bhaktapur, in der Nähe von Kathmandu. Er machte sich Sorgen um seine Familie in den Bergen Sindhulis. Am nächsten Tag stieg er in einen Bus, der ihn in sein Heimatdorf brachte. Was ihm dort begegnete, lähmt ihn bis heute. „Was würden Sie in meiner Situation tun? Ich habe keine Wahl. Ich habe keine Arbeit und kein Einkommen. Wir haben alles verloren: Unser Haus und unsere zehn Ziegen. Wir haben nicht einmal eine Toilette!“, sagt er. „Wir sind arm hier und wir können nur überleben, indem wir uns Geld von reichen Leuten ausborgen.“

Narayan musste sich verschulden, um seine Familie zu untersützen

Bevor er sich aus dem Kathmandu-Tal auf den Heimweg machte, lieh sich Narayan 50.000 Rupien (etwa 500 Euro) von einem privaten Geschäftsmann. „Die Zinsen betragen 40 Prozent und ich muss das Geld in 18 Monaten zurückzahlen, wenn ich es früher zahlen kann, ist der Zinssatz niedriger.“ Mit seinen 17 Jahren hat Narayan keine andere Wahl als sich zu verschulden, um seine Familie zu unterstützen.  „Wir fühlen uns wie Bettler“, sagt er. Zusätzlich sind seit dem Erdbeben auch die Preise für Lebensmittel in die Höhe geschossen. „Früher kostete ein Paket Nudeln 15 Rupien, jetzt sind es 50.“

Alte Frau in Notunterkunft
Kali Kharkis Haus wurde zerstört. Ihre Familie lebt jetzt in diesem primitiven Zelt.

Das Nachbeben verschärft die Situation

Bis vor dem starken Nachbeben, das sich am 12. Mai in der Provinz Sindhuli ereignete, hat Narayans Gemeinde nicht viel internationale Aufmerksamkeit erhalten. Die Gegend zählte nicht zu den am schlimmsten betroffenen. Das hat das neuerliche Beben dramatisch geändert: Die wenigen Häuser, die das erste Beben beschädigt überstanden hatten, sind nun nur noch ein Haufen Schutt.

Narayans Dorf Sadhi Dunja bestand aus 15 Häusern, das erste Beben haben nur zwei überstanden. Durch beide gingen bei unserem Besuch tiefe Risse. Die Menschen haben Zeltplanen erhalten, aber sie werden eine bessere Abschirmung gegen den Monsunregen brauchen.

Hilfsgüter für die Betroffenen des Bebens

Das Nepalesische Rote Kreuz verteilt Hilfsgüter so lückenlos wie möglich in den über weite Berghänge verstreuten Dörfern. „Wir haben 12 Ausgabestellen im ganzen Bezirk errichtet“, erklärt Ashok Shresta, der junge und engagierte Rotkreuz-Vorsitzende der Region. „Gemeinsam mit den örtlichen Behörden, der Armee und der Polizei haben wir bereits über 8.000 Zeltplanen verteilt und 6.000 werden noch nachkommen.“

Sindhuli ist auch ein Projektgebiet, in dem das Österreichische und das Schweizer Rote Kreuz schon vor dem Erdbeben gemeinsam an Gesundheitseinrichtungen, der Wasserversorgung, Sanitäranlagen und Hygienepromotion gearbeitet haben.

» Erfahren Sie mehr über die Arbeit des DRK in Nepal

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Foto: Palani Mohan / IFRK, Andrea Reisinger/ Österreichisches Rotes Kreuz

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Foto: Aufnäher des ÖRK auf einem Ärmel Andrea Reisinger

Andrea Reisinger ist Mitarbeiterin des Österreichischen Roten Kreuzes. Sie führte das Gespräch zwei Tage vor dem Nachbeben am 12. Mai 2015. Das Epizentrum des neuerlichen Bebens lag nur wenige Kilometer von Narayans Heimatdorf entfernt.

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