Rotkreuzfahrzeug im Schnee

Griechenland: Neujahr, Sturm und Schnee im Flüchtlingscamp

Am 17.01.2017 von Dr. Martin Steinert
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Ein richtiger Schneemann, Dr. Martin Steinert und zwei Freiwillige im griechischen Flüchtlingscamp Nea Kavala.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu Silvester gab es ein Essen mit Lamm und anderen griechischen Köstlichkeiten. Auch der orthodoxe Gottesdienst zum 31.12. in der alten Bergkirche mit viel Weihrauch, Ikonen und Kerzen war sehr schön. Ja, es geht mir gut – die finnisch-griechisch-arabische Kulturmischung ist jedenfalls aktuell sehr entspannend. Alle trinken gerne einen warmen Tee oder Kaffee in den Pausen. In einer Woche habe ich schon mit Leuten aus nahezu 20 Ländern gesprochen! Es bleiben immer mal einige Minuten Zeit zu Gesprächen mit Flüchtlingen, Kollegen von anderen Hilfsorganisationen oder den Übersetzern. Auch ein Rundgang durchs Camp ist dann drin.

Wenn es nicht zu stürmisch ist! Die schlimmsten Befürchtungen wurden heute war. Minus 12 bis15 Grad zeigte heute Morgen das Thermometer an. Das Flüchtlingscamp Neo Kavala besteht aus hunderten Containern, welche auf einer ehemaligen Flugpiste in der freien Landschaft aufgebaut wurden – eine richtige Windschneise am Ende einer Hügelkette. Die umgebenden Berge tragen Schneekappen und der Wind jagt aus dem Balkangebirge kommend in starken Böen um uns herum. Wir brauchen zeitweise drei Mann, um unseren Klinikeingang wieder zu schließen gegen den Orkan.

 

Stürmische und ungewisse Zeiten

Dr. Matrin Steinert
Dr. Martin Steinert erlebt kalte Tage im Flüchtlingscamp.

Die letzten zwei Tage im Sturm ging es uns ähnlich wie den Flüchtlingen: Wir können unsere kleine,  zehn Quadratmeter große Klinik wegen des Sturms nicht verlassen. Schon für 2 mal 9 Stunden ist dies ziemlich anstrengend. Wie geht es erst den Flüchtlingen, welche wochenlang in den engen Behausungen gefangen sind? Es wird ziemlich langweilig. Da ist es wohl schon eine nette Abwechslung, wenn ein neuer Mitarbeiter ins Camp kommt und neuen Gesprächsstoff mitbringt.

Oft wissen die Menschen auch nicht, wie es mit ihren Flüchtlingsverfahren weitergeht und wann sie das nötige Gespräch beim Flüchtlingsamt in Griechenland bekommen. Es gibt aber Unterstützung durch die UN-Organisationen und das Rote Kreuz.

Schnee und Kälte im Süden Europas

So kalt hat man Griechenland eigentlich nicht in Erinnerung. Man glaubt es kaum, aber hier sind die Berggipfel des südlichen Balkangebirges mit Schnee bedeckt und nachts kann es minus 3 bis minus 5 Grad kalt werden. Einige dieser Gipfel gehören zu Bulgarien und die anderen zu Mazedonien. Zwischen den hohen Schornsteinen der Ölindustrie zeigte mir unser griechischer Allgemeinarzt im Lager Kordelio auch die Gipfel des Olymp, so etwa 60 km entfernt. Wir arbeiten also sozusagen am Fuß des Gottesberges.

Rotkreuzfahrzeug im Schnee
Die Bedingungen sind derzeit nicht einfach für die Rotkreuzhelfer.

Die einzelnen Containerkliniken können jetzt mit Elektroheizung oder Gasheizung temperiert werden. Nur dauert es morgens immer etwa eine Stunde, bis 20 Grad im Inneren erreicht sind. Die Kinder in Nea Kavala bekamen neue Spielzeuge – doch leider kann man auch gut damit hinfallen – so dass sie dann wieder in unserer Containerklinik auftauchen mit Prellungen und Verstauchungen.

Lange Wartezeiten und Winterabende und der wichtige Kontakt nach draußen

Ich habe heute unsere freiwilligen syrischen Mitarbeiter gefragt, was sie mit den gegenwärtig langen Nächten denn anfangen. Das geht von Zwiebelsuppe kochen , Wintermützen stricken ,sowie über Gespräche über die Heimat und mit den Verwandten, die in verschiedenen Ländern Asyl gefunden haben bis zu türkischen Filmen im Handy.

Sehr wichtig ist ihnen, dass sie sich mit ihren Familien in ganz Europa über das Smartphone austauschen können. Es gibt auch eine mehr oder weniger langsame Internetverbindung, ermöglicht von den Hilfsorganisationen.

Im Lager Nea Kavala haben sich viele auf eine längere Zeit – wohl zumindest bis für den Sommer eingestellt. Einige hoffen auf die offizielle Genehmigung für eine Familienzusammenführung in Zentral- oder Nordeuropa. Die bürokratischen Mühlen sind aber auch gerade hier in Südeuropa sehr langsam. Die oft noch jüngeren Flüchtlinge würden sich bessere Perspektiven auch für ihre Familie oder ein Studium im Ausland wünschen. Eine Fahrt ins Heimatland zurück jedenfalls kommt wohl im Augenblick kaum in Frage.

Bustickets und Zugang zum Gesundheitssystem

Wir unterstützen unsere Patienten u.a. mit Bustickets – damit können sie dann z. B. ein Röntgenbild oder eine dringende Laboruntersuchung erhalten oder einen speziellen Facharzt des griechischen Gesundheitswesens in den Nachbarorten aufsuchen. Aktuell managen die griechischen Arztkollegen und Krankenschwestern die Verbindung zu den umgebenden Krankenhäusern.

Palmen im Schnee
Diese Palmen vertragen den vielen Schnee hoffentlich.

Vorgestern hatten wir ein 3-jähriges Kind mit Verdacht auf einen Bruch im Handgelenk .Da klappte der Kontakt zum örtlichen Krankenhaus super, unsere griechische Kinderärztin Kiki kümmerte sich persönlich am Telefon darum, und das Kleinkind kam mit Gips versorgt bei uns an.

Familien mit Neugeborenen bekommen oftmals auch Wohnmöglichkeiten in Wohnungen oder Hotels angeboten – was unsere Rotkreuz-Hebammen gerade bei diesem Wetter sehr unterstützen. Ach ja: Unsere Weihnachtskugeln vor dem Zelt hat der Sturm hunderte Meter weiter verteilt.

Ein gesundes neues Jahr nach Berlin!

Martin Steinert

(Fotos: Dr. Martin Steinert/ DRK)

» Lesen Sie auch Dr. Steinerts ersten Blogbeitrag aus Griechenland

» Erfahren Sie mehr über die Flüchtlingshilfe des DRK in Griechenland!

 

Geschrieben von:

Dr. Martin Steinert
Allgemeinarzt Dr. Steinert arbeitet normalerweise als Landarzt in Klöden bei Wittenberg. Im Winter 2016/2017 jedoch half er als DRK-Mitarbeiter im Flüchtlingscamp des Hellenischen Roten Kreuzes. Zuvor war er mit anderen Hilfsorganisationen z.B. auch schon auf den Philippinen und in Sierra Leone.

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