Von Wolf-Christian Noske
Die Sonne steht hoch am Horizont. Unser weißes Kraftpaket ackert sich durch das trockene Flussbett. Wie durch eine weiße Steinwüste führt uns der holprige Pfad gen Norden, immer weiter weg von der dominikanischen Grenze. Wir sind auf dem Heimweg von einem Projektbesuch in Anse-a-Pitre, im Süd-Osten Haitis. Es ist ein bisschen als käme man aus einer anderen Welt. Das Landleben ist ein ganz anderes als das Leben in der “Metropole” Port-au-Prince.
Ich bin müde. Das nicht enden wollende Geholper führt mittlerweile seit vier Stunden vorbei an ärmlichen Siedlungen, durch Pinienwälder und zerrt an Körper und Seele. Die Landschaft selbst jedoch ist ein Traum. Von den Passstraßen, die sich durch die Hügel schlängeln, hat man einen herrlichen Ausblick auf das Umland. Hügel folgt auf Hügel und dahinter steigen vereinzelt Rauchsäulen von den Hängen auf, die auf Zivilisation schließen lassen. Leider haben mittlerweile drei platte Reifen innerhalb von 24 Stunden meinen Sinn für diese Art der Ästhetik gewaltig getrübt und ich will einfach nur noch Heim und unter die Dusche.
Das Projekt, das ich mir angeschaut habe, ist ein Wasserbauprojekt in einem der ärmlichsten Gebiete Haitis. 150 km und ca. sechs Stunden entfernt vom wirtschaftlichen Treiben der Hauptstadt, verbunden nur über eine schlecht ausgebaute Verbindungsstraße, leben die Menschen hier größtenteils von dem, was die Natur ihnen zur Verfügung stellt. Das Wasser muss vielerorts kilometerweit in Eimern und Kanistern per Pedes zu den Häusern und Siedlungen getragen werden.
Wer Glück hat, besitzt einen Esel oder sogar ein Motorrad. Ein eigener Wasseranschluss in der Hütte oder dem Haus ist purer Luxus. Mit einer Quellfassung und einem angehängten Wassernetz soll künftig an drei Orten Wasser zur Verfügung stehen und den Weg des kühlenden Nass zum Haus verkürzen. Mit Hilfe der Gravitation wird das Wasser über eine Hydrampumpe über acht Kilometer an den Hügeln entlang zu den Verteilorten geleitet. Die Pumpe wird lediglich durch den entstehenden Druck des fallenden Wassers angetrieben. Die sonst eher hinderliche hügelige Topographie der Landschaft ermöglicht erst diese besondere Form der Wasserverteilung, die keinerlei zusätzliche Energiequelle benötigt.
Na prima, schon wieder ein Plattfuß. Also raus aus dem Auto, Wagenheber und Ersatzrad auspacken und kurbeln. Der Staub von vorbeifahrenden Motorrädern und Autos macht das Atmen schwer, die körperliche Anstrengung bei 35 Grad treibt einem den Schweiß ins Gesicht. Ich sehne mich nach einer Dusche und einem kaltem Glas Wasser. Bis ich das bekomme, werden noch ein paar Stunden vergehen. Vorher müssen wir uns noch durch den Feierabendverkehr der haitianischen Hauptstadt quälen. Als wir den Stadtrand endlich erreichen, fängt es an zu regnen. Regen in Port-au-Prince bedeutet den Ausnahmezustand auf den Strassen. Die lokalen Taxen, auch „taptap“ genannt, bleiben plötzlich mitten auf der Straße stehen, um diejenigen aufzunehmen, die hektisch vor dem Regen Schutz suchen. Das trägt nicht gerade zum raschen Vorankommen bei und strapaziert die Nerven nach sechseinhalb Stunden Fahrt ungemein.
Als wir endlich zu Hause ankommen, schüttet es wie aus Eimern und ich schleppe eilig meine sieben Sachen ins traute Heim und falle nach der heißersehnten Dusche erschöpft ins Bett.