Rot-Kreuz-Kolonne

Rückkehr nach Gaza

Am 30.09.2014 von Andreas Kasseck

Von Andreas Kasseck, DRK-Programmkoordinator in Ramallah, Westjordanland

Mitte September 2014: Vergangene Woche bin ich zum ersten Mal seit Ausbruch der Kampfhandlungen wieder in den Gazastreifen gereist. Seit Jahren arbeitet das Deutsche Rote Kreuz (DRK) im Gazastreifen in enger Zusammenarbeit mit dem Palästinenischen Roten Halbmond (PRH) und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) im Bereich der Katastrophenvorsorge.


Rot-Kreuz-Kolonne
Auf dem Weg nach Gaza. Foto: DRK / Andreas Kasseck

Die Anreise vom DRK-Büro in Ramallah im Westjordanland nach Gaza dauert auch diesmal fast einen ganzen Tag. Die Sicherheitsvorkehrungen am Erez-Checkpoint sind schärfer als üblich, und auch sonst ist die Sicherheitslage fühlbar angespannt. Zusammen mit meinen Rotkreuz- und Rothalbmond-Kollegen überqueren wir schließlich die verschiedenen Checkpoints und können die Verwüstung auf der anderen Seite bereits erahnen.

Eine erste Erkundungsfahrt im Norden des Gazastreifens bestätigt unsere Befürchtungen: Die Zerstörung hier ist gewaltig. Ganze Straßenzüge, vor allen in den Außenbezirken, die an Israel grenzen, sind verschwunden. Was übrig bleibt, sind Ruinen und Geröllmassen, die eine fast unwirkliche Landschaft formen.

Landschaft in Gaza
Großräumige Zerstörung in Gaza. Foto: DRK / Andreas Kasseck

Notdürftig haben sich vereinzelte Familien in den Trümmern eingerichtet, Tücher und Teppiche ersetzen eingestürzte Wände. Die Lebensbedingungen der Menschen im Gazastreifen sind prekär, es fehlt an den grundlegendsten Dingen: Wasser, Essen, Medikamente und am offensichtlichsten ein sicheres Dach über dem Kopf.

Improvisierte Notunterkunft
Wenn der Winter kommt, bietet diese improvisierte Notunterkunft keinen Schutz. Foto: Andreas Kasseck / DRK

Weitere Erkundungsfahrten in den Norden und in den Osten des Gazastreifens runden den Gesamteindruck ab. Die Dimension der Zerstörung ist beispiellos, der Wiederaufbau wird Jahre dauern.

Am nächsten Tag setzen wir unseren Besuch trotz einer kurzen Schrecksekunde fort. Eine Mörsergranate wurde aus dem Gazastreifen in Richtung Israel abgefeuert. Dies ist der erste Bruch des Waffenstillstandsabkommens seit mehr als drei Wochen, zum Glück ohne fatale Folgen für beide Seiten.

bewegender Besuch beim Palästinensischen Roten Halbmond
Ein bewegender Besuch beim Palästinensischen Roten Halbmond. Foto: DRK / Andreas Kasseck

Im Laufe des Tages besichtigen wir dann verschiedene Einrichtungen des Palästinenischen Roten Halbmondes die während der rund 50-tägigen Kampfhandlungen zerstört bzw. beschädigt wurden. Besonders betroffen macht mich der Besuch der Gesundheitsstation in Jabaliya ganz im Norden. Durch einen Luftangriff in unmittelbarer Nähe wurden die Station sowie drei Krankenwagen beschädigt. Zum Glück wurde bei dem Angriff niemand getötet, rund ein Dutzend Freiwillige wurden jedoch zum Teil schwer verletzt. Der persönliche Kontakt zu den Freiwilligen und Mitarbeitern des Palästinenischen Roten Halbmondes – das DRK arbeitet bereits seit 2010 mit dem Ortsverband Jabaliya zusammen – macht, dass uns dieser Besuch so schwerfällt und nahegeht.

Am nächsten Tag endet mein Besuch im Gazastreifen, es geht wieder zurück nach Ramallah. Wieder dauert es fast einen ganzen Tag, um die nur rund 100 km zurückzulegen, dazwischen liegen unzählige Checkpoints und verschiedene Welten. Der Wiederaufbau des Gazastreifens wird Jahre dauern, die Not der Menschen ist jedoch akut. Der Winter steht vor der Tür und damit der Regen, Hilfe ist sofort nötig. Das DRK hat sich daher mit 200.000 Euro an der Soforthilfe für den Gazastreifen beteiligt. Die Spenden sind bei den Menschen in Gaza gut aufgehoben, denn es fehlt hier wirklich an allem.

Text und Fotos: Andreas Kasseck, DRK-Programmkoordinator in Ramallah, Westjordanland

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Foto: Portrait eines DRK-Mitarbeiters Andreas Kasseck
Andreas Kasseck ist Länderreferent für Asien beim Deutschen Roten Kreuz. Neben der Planung und Durchführung von Projekten in der gesamten Region gehört es auch zu seinen Aufgaben Nothilfemaßnahmen zu koordinieren. In Bangladesch unterstützt er gerade den Bangladeschischen Roten Halbmond bei der Versorgung der Rohingya.

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