Wir, das Team von DRK zusammen mit dem Team des Somalischen Roten Halbmondes sind unterwegs mit dem Auto durch eine staubige und trostlose Landschaft. Eigentlich gehören die Landesteile westlich von Hargeisa in Somaliland zu den fruchtbaren Gebieten, aus denen ein Großteil der Nahrungsmittel stammt. Doch seit Ende 2016 herrscht Dürre und es gibt kaum Anzeichen von Leben, nur wenig Grün ist auszumachen.
Am Morgen erreicht unser Rotkreuz-Team das Haus von Abdilahi Doole. Hundert Kilometer weiter in den Westen, in das Dorf Kalabath mussten er und seine Familie ziehen. Die zehn Kinder, seine Frau und er sind innerhalb Somalilands auf der Flucht vor der allgegenwärtigen Dürre. Zwei weitere Familien haben sich hier niedergelassen, Kaymah, ihr Mann und drei Kinder und auch Sabah, verwitwete Mutter von vier Kindern.
Abdilahis Frau kümmert sich gerade um die letzten übrigen Ziegen. Über die Hälfte ihrer Herde ist schon gestorben, und sie haben wenig Hoffnung für die verbliebenen Tiere. Abdilahi selbst ist alt und schwach und verlässt die Hütte nicht. Vor der Tür liegt ein krankes Zicklein, es rührt sich kaum und scheint kurz vor dem Tod zu sein.

Die drei Hütten sind jeweils aus einem Gerüst aus Zweigen errichtet und mit Plastik bedeckt. Für die 22 Menschen, die hier leben, bieten sie kaum Schutz. Die Kinder sind oft erkältet, weil es nachts kalt wird. Doch andere haben noch weniger Glück, sie müssen jede Nacht aufs Neue bei ihren Nachbarn um einen Schlafplatz bitten.
Abdilahi und die Familien die mit ihm leben, gehören zu den vielen Tausenden von Somaliern, die auf dramatische Weise von der Dürre betroffen sind, nachdem die üblichen Herbstregenfälle in 2016 ausfielen. Als Hirten waren sie ohne Weidenland und Wasser für ihre Tiere gezwungen, weiter westlich zu ziehen. Doch auch hier ist es nicht viel besser.

Die Frauen müssen am Straßenrand warten, um Wasser aus Wassertankern zu kaufen. Eine 20-Liter-Kanisterfüllung kostet 25 Cent, das ist für sie viel Geld. Oft warten sie stundenlang.
Die Ziegen sind so dünn, dass niemand sie kaufen will. Sabah erklärt: „Ich nahm einige Tiere mit zum Markt, doch die Händler sagten, sie sind nichts wert.“
Ohne Geld ist es schwer, Essen zu bekommen. Als sie hier neu ankamen, gab es noch Spenden von den alteingesessenen Nachbarn, aber die sind jetzt genauso von der Dürre betroffen und haben kaum etwas für sich selbst.

Eine von ihnen, Amina Isman, lebt schon immer hier. Die Landwirtin und Witwe wohnt zusammen mit ihrer Schwester und sechs Kindern. Dank der Frühlingsregen, die sonst jedes Jahr kamen, waren der Anbau von Mais und Hirse immer möglich. Doch letztes Jahr konnte sie kaum noch etwas ernten.
Ihr Nachbar erklärt: „Zuerst hofften wir auf eine gute Ernte, doch der Regen hörte zu früh auf und so gab es nur etwas Heu für die Tiere. Bisher konnten wir aufgrund von Spenden von Verwandten überleben.“ Hinter Aminas Haus ist noch etwas Heu für die paar Kühe, die sie hat. Sie teilt es gerne mit Nachbarn, doch es reicht nicht für alle Tiere hier.
Amina ist über den fehlenden Niederschlag in diesem Jahr sehr beunruhigt, gleich zwei von letzten drei Frühlingsregen sind ausgeblieben. Wie soll sie nun ihre Familie und ihr Vieh ernähren? „Wir müssen noch bis September durchhalten, dann bringen die Felder hoffentlich etwas ein. Die letzten Jahre waren hart, aber wir dürfen die Hoffnung nicht verlieren.“
Kaymah, eine der Zugezogenen, stimmt ihr zu „Mit genug Wasser und Essen bis zum Beginn der nächsten Regenzeit könnten wir mit unseren Herden nach Hause zurückkehren. Hier um einen Schlafplatz und etwas Essen betteln zu müssen, ist kein gutes Gefühl.“
Einige dutzend Kilometer weiter im Dorf Bota hat Fadhiya Ismail, eine fröhliche zweifache Mutter, ein anderes Problem. Sie, die noch ihr Jüngstes stillt, musste zum Wasserholen sechs Stunden zur einzigen Wasserstelle weit und breit laufen. Doch umsonst: Hinter ihr stehen Dutzende von Kamelen an einem ausgetrockneten Wassertrog und brüllen kläglich. Auch diese ausdauernden Wüstentiere leiden unter der Hitze und Trockenheit.

„Zu heiß“, meint Fadihya, sie wird – statt weitere sechs Stunden durch die Hitze zurückzulaufen – sich nun hier an der Wasserstelle etwas ausruhen und übernachten und hofft, dass morgen Wasser kommt.
Der Dorfvorsteher erklärt: „Unser Wasser wird zwölf Kilometer weit von Lafta Bokhor hierher gepumpt, aber nur an ein paar Stunden täglich und das reicht nicht aus. Um ausreichend versorgt zu sein, bräuchten wir Brunnen.“
Gerade als wir aufbrechen wollen, hat Fadhiya doch noch Glück. Plötzlich strömt Wasser aus der Leitung und die Kamele und Ziegen drängen zur Tränke. Die junge Mutter wird ihre zwei Kanister füllen und dann den langen Heimweg antreten. Für 50 Liter Wasser wird sie dann insgesamt 15 Stunden unterwegs gewesen sein.

Die Situation ist fast überall in Somalia ähnlich, die Dürre ist weit fortgeschritten. Viele Familien mussten innerhalb des Landes fliehen und viele mehr haben nicht ausreichend zu essen und zu wenig Wasser.
Das Deutsche Rote Kreuz gemeinsam mit dem Somalischen Roten Halbmond hat bereits in verschiedenen Projekten mit Gesundheitsversorgung, Trinkwasser und Bargeldhilfen zum Kauf von Nahrungsmitteln geholfen, doch der Bedarf ist weiter dramatisch gestiegen. Am dringendsten benötigen die Menschen derzeit Geld, um sich Nahrungsmittel und auch Wasser zu kaufen, bis die Dürre vorüber gegangen ist.
Und selbst wenn die unmittelbare Essens- und Wasserknappheit nachlässt, werden die Familien massive Unterstützung brauchen, um ihr Leben wieder zu normalisieren. Auch die Erosion muss gestoppt werden, damit Farm- und Weideland intakt bleiben. Mehr Wasserstellen sind notwendig, damit das Leben in Somalia weitergehen kann.
Die Generaldirektion Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz der Europäischen Kommission (ECHO) wurde 1992 gegründet. ECHO unterstützt Nothilfeprojekte in den meisten Konflikt- und Katastrophengebieten auf der Welt. Mehr Informationen zu ECHO finden Sie hier: http://ec.europa.eu/echo/index_en.htm
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