Foto: Portrait eines syrischen Jungen

Syrische Flüchtlinge: „Mein erstes türkisches Wort war `schnell´“

Am 16.03.2018 von John Engedal Nissen

Foto: Collage aus Portrait eines Jungen und ein Kinderbild mit türkischer Flagge.

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Woran sich Mohammed aus der Zeit in Syrien erinnert? Eine Bombe, die Menschen in seiner Nachbarschaft tötet. Jetzt lebt er als Flüchtling in der Türkei und möchte Arzt werden, um kranke Menschen zu heilen.

Foto: Portrait eines syrischen Jungen
„Am Anfang hatte ich Angst“, sagt Mohammed.

„Einmal, erinnere ich mich, hat eine große Bombe Leute in meiner Nachbarschaft getötet. Sie kam aus einem Flugzeug und war sehr groß. Ich hatte furchtbare Angst. Als es passierte, spielten die Leute auf der Straße, einige waren auf dem Weg zum Markt. Danach kam ein Krankenwagen.“ Der 10-jährige Mohammad lebt seit vier Jahren in der Türkei, hat aber noch Erinnerungen an die letzte Zeit in seiner Heimatstadt Aleppo in Syrien.

„Auch hier in der Türkei hatte ich anfangs Angst. Eigentlich hatte ich meistens einfach nur Angst. Aber langsam wurde das Leben leichter. Auch, weil wir in Istanbul die gleichen Nachbarn hatten wie in Aleppo. So fühlte sich mein Leben nicht so anders an“, sagt er.

„Jetzt ist das Leben irgendwie leicht“

Mohammad besucht ein Gemeindezentrum in Istanbul, das vom Türkischen Roten Halbmond betrieben wird. Solche Gemeindezentren betreibt der Türkische Rote Halbmond landesweit, sie werden von unterschiedlichen Partnern wie z.B. dem DRK unterstützt und finanziell beispielsweise durch das Auswärtige Amt oder die EU gefördert. Neben vielen anderen Dienstleistungen bietet das Zentrum Englisch- und Türkischunterricht an sowie psychosoziale Unterstützung durch kinderfreundliche Aktivitäten. Das hat Mohammads Leben verändert.

„Vorher war die Situation schwierig für mich, weil ich überhaupt kein Türkisch sprechen konnte, nicht einmal, nach Dingen auf dem Markt fragen. Aber jetzt ist es leicht, weil ich gelernt habe, Türkisch zu sprechen – so gut, dass ich der Beste in meiner Klasse bin“, sagt er und fährt fort: „Das erste Wort, das ich auf Türkisch gelernt habe, war `hızlan, çabuk´, was `schnell´ oder `schneller´ bedeutet. Ich habe es von meinem Vater gelernt. Meine ganze Familie sagt mir das ständig. Sie wollen nicht, dass ich zu spät komme.“

Foto: Kinder basteln beim Türkischen Halbmond
Kinderbetreung, psychologische Betreuung oder berufliche Bildung: Die Gemeindezentren des Roten Halbmonds bieten ein breites Angebot für die syrischen Flüchtlinge.

„Ich möchte bei meinen Freunden bleiben“

Am liebsten mag Mohammad die schwierigsten Wörter auf Türkisch, zum Beispiel „Sevimli”, das „nett“, „schön“ oder „entzückend“ bedeutet. Der netteste Mensch, den er kennt, ist der ehemalige Lehrer im Gemeindezentrum, der ihm Türkisch so gut beigebracht hat.
Mohammads Lieblingsbeschäftigungen sind Fußball und Zeichnen. Und trotz seiner guten Türkischkenntnisse ist das für ihn immer noch das herausforderndste Schulfach. Später möchte er gerne Arzt werden: „So kann ich kranke Menschen heilen und sie können jeden Tag glücklich sein.“

Auf die Frage, ob er zurück nach Syrien möchte oder in der Türkei bleiben will, antwortet Mohammad: „Hierbleiben!“ Er lächelt. „Weil meine Freunde, meine Lehrer und meine Schule hier sind. Und ich möchte sie nicht so sehr vermissen, wie ich meine Freunde und meine Schule in Syrien vermisst habe.“

Über die Gemeindezentren in der Türkei

Auch das Deutsche Rote Kreuz hilft syrischen Flüchtlingen in der Türkei gemeinsam mit dem Türkischen Roten Halbmond. In insgesamt drei Gemeindezentren unterstützt das Rote Kreuz die Flüchtlinge mit integrativen Leistungen wie Sprach-, Computer- oder Handwerkskurse. Zusätzlich können die Geflohenen unter anderem psychosoziale Unterstützung in Anspruch nehmen. Finanziert werden die Gemeindezentren mit der Hilfe des Auswärtigen Amtes.

» Erfahren Sie mehr über die DRK-Hilfe in der Türkei

» Hier erhalten Sie weitere Informationen zur Syrien-Krise

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Fotos: John Engedal Nissen/ Dänisches Rotes Kreuz, Ibrahim Malla / IFRK

Geschrieben von:

John Engedal Nissen
Der gelernte Journalist ist beim Dänischen Roten Kreuz für die Kommunikation verantwortlich. Im Rahmen des MADAD-Projekts, das von der Europäischen Union finanziert wird, bereist er die vom Syrienkonflikt betroffenen Nachbarländer, um dort syrische Flüchtlinge zu porträtieren, die vom gleichnamigen Fonds profitieren. John Engedal Nissen bereist auch für die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung Krisen- und Katastrophengebiete, um über die Situation vor Ort zu berichten.

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