Schon vor Überschwemmungen handeln, um Schlimmeres zu vermeiden. Seit 2022 arbeitet der Sudanesische Rote Halbmond (SRCS) mit technischer Unterstützung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und des Rotkreuz- und Rothalbmond-Klimazentrums (RCCC) intensiv an der Verbesserung seiner Kapazitäten für antizipative Maßnahmen.
Im Fokus stehen dabei Gebiete an Flüssen mit hohem Hochwasserrisiko. Allerdings können die Projektaktivitäten im Sudan aufgrund der gegenwärtigen Konfliktsituation nicht wie geplant durchgeführt werden und pausieren vorerst. Während der Schwerpunkt vor Ort derzeit klar auf der Nothilfe liegt, bleiben Überschwemmungen und Wetterextreme eine der größten Gefahren für die Bevölkerung.
Moment, was heißt das noch mal, „Vorausschauendes Handeln bei Hochwasser“?
Antizipatorische Maßnahmen beziehen sich auf einen proaktiven Ansatz zur Verhinderung oder Abschwächung der potenziellen Folgen einer vorhergesagten Gefahr. Und das, bevor sie eintritt oder bevor ihre Auswirkungen spürbar werden. Das Stichwort lautet also: verbesserte Katastrophenvorsorge aufgrund von optimierten Vorhersagen. Wichtige Grundlage dafür sind möglichst genaue Prognosen oder vorausschauende Analysen. Sie geben Aufschluss darüber, wann und wo eine Gefahr eintreten könnte.
Die Idee ist, von hauptsächlich reaktiven Ad-hoc-Maßnahmen nach einer Katastrophe abzurücken und stattdessen frühzeitig zu handeln.
Gemeinsames Arbeiten hinter den Kulissen
Außerhalb des Sudans arbeitet daher ein kleines Team weiter an der Analyse der Risiken und möglichen Auswirkungen von Flussüberschwemmungen und der Vorhersage all dieser Faktoren für Teile des Nilbeckens. Das Heidelberger Institut für Geoinformationstechnologie (HeiGIT) hat sich bereit erklärt, diesen Prozess zu unterstützen. Gemeinsam arbeiten wir hinter den Kulissen weiter an der Verbesserung der Vorhersagbarkeit von Hochwasserauswirkungen und -risiken.
Gestatten? Unser Team!
Sheikh Khairul Rahaman ist unser Anticipatory-Action-Projekttdelegierter.
Ich bin Sheikh Khairul Rahaman und arbeite als Projektdelegierter für das DRK im Bereich Antizipation. Bis vor kurzem war ich im Sudan stationiert, aber aufgrund der aktuellen Situation bin ich nach Nairobi umgezogen. Von dort aus unterstütze ich die Nothilfe zur Bewältigung der humanitären Krise im Sudan. Parallel dazu sammle und analysiere ich Sekundärinformationen aus verschiedenen Quellen. Laut EM-DAT (Emergency Events Database – eine internationale Datenbank für Katastrophen) – gab es im Sudan zwischen 2003 und 2022 dreißig meteorologische, hydrologische und klimatologische Katastrophenereignisse, von denen 46 % Überschwemmungen von Flüssen waren. Das ist der Hauptgrund, warum SRCS beschlossen hat, diese Gefahr zuerst anzugehen. Weitere Datenquellen sind die Berichte des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), ACAPS-Berichte, zahlreiche Bedarfsanalysen und Forschungsarbeiten verschiedener Behörden und akademischer Institute. Gemeinsam mit dem HeiGIT wollen wir die Qualität und Tiefe der Risikoanalyse verbessern. Dies ist erforderlich, um auf der Grundlage der Exposition und Anfälligkeit der Bevölkerung für Flussüberschwemmungen und die Orte zu ermitteln, wo frühzeitig gehandelt werden muss.
Anne Schauss und Alec Schulze-Eckel forschen am HeiGIT.
Wir sind Anne Schauss und Alec Schulze-Eckel und forschen am Heidelberger Institut für Geoinformationstechnologie (HeiGIT) . Das Institut unterstützt seit 2017 humanitäre Organisationen dabei, ihre Geoinformatiksysteme (GIS) und Datenanalysekapazitäten zu stärken und bietet nachhaltige, quelloffene Lösungen in GIS und Open-Source-Datenanalyse an. Für den Sudan haben wir gerade die Risikobewertung und die historischen Folgenabschätzungen für Überschwemmungen an Flüssen abgeschlossen. Dazu haben wir mit historischen Hochwasserdaten und Daten zur Erreichbarkeit ländlicher Gebiete gearbeitet, die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) bereitgestellt wurden.
Mit dem DLR unterhält das HeiGIT eine strategische Partnerschaft. Die historischen Hochwasserdaten aus Satellitenbildern waren notwendig, um die Auswirkungen von Flussüberschwemmungen im Sudan zu erfassen. Die Erreichbarkeitsanalyse wird verwendet, um abzuschätzen, wie schwierig es wäre, die Menschen im Falle von Überschwemmungen zu erreichen. Solche Analysen sind ein wesentlicher Bestandteil jedes Projekts für antizipatorische Maßnahmen, da sie uns helfen, die Beziehung zwischen Klimaphänomenen und ihren Auswirkungen auf gefährdete Gemeinschaften zu verstehen. Außerdem tragen sie dazu bei, die am stärksten gefährdeten und von Flussüberschwemmungen betroffenen Gemeinschaften zu identifizieren.
David McLeod arbeitet beim Red Cross Climate Centre als Klimawissenschaftler.
Ich bin David MacLeod*, Klimawissenschaftler mit mehr als einem Jahrzehnt Erfahrung im Verstehen, Auswerten und Nutzen von Wetter- und Klimavorhersagen. Ich bin Dozent für Klimarisiken an der Universität Cardiff und arbeite für das RCCC, das die nationalen Gesellschaften in Somalia und im Sudan bei der Entwicklung antizipativer Aktionspläne unterstützt. Für den Sudan arbeite ich derzeit mit der zwischenstaatlichen Behörde für Entwicklung (IGAD), einem Gremium von acht Mitgliedstaaten (Dschibuti, Äthiopien, Eritrea, Kenia, Somalia, Südsudan, Sudan und Uganda) und dem Climate Prediction and Applications Centre (ICPAC) an der Bewertung ihres neuen, regionalen Hochwasservorhersagesystems für Flüsse. Sobald dieses System online ist, liefert es Vorhersagen über die Flusshöhen der großen Flüsse in der gesamten Region und kann mit einem Ausblick auf das potenzielle Hochwasserrisiko in den nächsten 15 Tagen einen wichtigen Teil des Puzzles liefern. Um die Zuverlässigkeit dieses Systems zu verstehen, habe ich mir unter anderem die Niederschlagsvorhersagen angesehen, die in das Modell einfließen. Das bedeutet die Auswertung eines umfangreichen Reforecast-Datensatzes, der 20 Jahre historischer Vorhersagen umfasst.
Durch den Vergleich dieser Vorhersage mit historischen Niederschlagsbeobachtungen lässt sich der potenzielle Mehrwert dieser Niederschlagsvorhersage bei der Vorhersage von Hochwasserereignissen besser einschätzen. Diese Arbeit wird im Einzugsgebiet des Blauen Nils flussaufwärts von Khartum durchgeführt.
Wie kann all dies der Bevölkerung helfen, die Auswirkungen von Flussüberschwemmungen im Sudan zu vermeiden oder abzumildern?
Nun, kurz gesagt, wir können besser vorhersagen, wo und wann ein schweres Hochwasserereignis eintreten wird, wie die wahrscheinlichen Auswirkungen aussehen und wer am meisten gefährdet ist.
Dieser Blog wurde von den Partnern mitverfasst, die derzeit den Sudanesischen Roten Halbmond bei der Analyse von Sekundärdaten unterstützen:
DRK: Sheikh Khairul Rahaman und Anita Auerbach HeiGIT: Alec Schulze-Eckel und Anne Schauss RCCC: David MacLeod
Das Projekt „Forecast-based Financing“ im Sudan wird von der Deutsche Bank Stiftung gefördert.
Information zum Konflikt
Seit dem 15. April 2023 liefern sich die Sudanesische Armee und die paramilitärische Gruppe Rapid Support Forces (RSF) schwere Gefechte an vielen Orten im Land. Am heftigsten sind die Kämpfe in der Hauptstadt Khartum, in der rund fünf Millionen Menschen leben, sowie in Darfur.
Die humanitäre Lage ist katastrophal. Die Kämpfe finden in dicht besiedelten städtischen Gebieten statt, in denen wichtige Dienstleistungen unterbrochen sind. Die Zivilbevölkerung leidet unter Engpässen bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten. Über 3,5 Millionen Menschen sind geflohen, davon rund 880.000 Personen in die Nachbarländer. Viele von ihnen haben den Kontakt zu ihren Angehörigen verloren.
Weitere Informationen zum Projekt und zur Risikoanalyse von Wetterextremen
Als DRK-Team stellen unter anderem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Online-Redaktion des Deutschen Roten Kreuzes Persönlichkeiten oder Schicksale vor und führen Interviews.