
Oliver Bartelt ist Kinderarzt und seit Mitte April im Feldhospital in Port au Prince tätig. Er hat bereits fünf Jahre im Bereich Neonatologie in den DRK-Kliniken Westend gearbeitet. Neonatologie ist ein Zweig der Kinderheilkunde, der sich mit Neugeborenenmedizin und –versorgung befasst. In seinem Beitrag berichtet er über seine Erfahrungen und Eindrücke in dem Krankenhaus.
von Oliver Bartelt
Andere Länder, andere Sitten
Meine Erfahrungen in der Kinderheilkunde, speziell Neonatologie, waren sehr wichtig, um die Aufgaben im Feldhospital zu bewältigen. Hier finden pro Monat um die 200 Geburten statt, die auch eher kompliziert oder als Frühgeburt verlaufen. So sehen wir zurzeit viele Frühchen oder Neugeboreneninfektionen, die Dank der heißen und feuchten Temperaturen auch gut ohne Inkubator behandelt und versorgt werden können. Ganz großen Werte lege ich auf das Kangarooing / Bonding nach der Geburt und war über die Einstellung der Mütter hier sehr überrascht. Diese haben zunächst direkt nach der Geburt Angst vor Ihrem Kind, möchten sich erst einmal „waschen“ und halten vom Bonding eher wenig. Sie sind über die neuen Methoden der „Weißen“ sehr erstaunt, die Ihnen das Neugeborene sofort auf die blanke Haut an die Mutterbrust legen. Wir versuchen daher mit sanfter Überzeugungskraft, diese gute Versorgung den Kleinen zukommenzulassen. Es wird von Tag zu Tag besser und gewöhnlicher, auch für die lokalen Schwestern und Hebammen.
Überleben auch ohne High-Tech-Medizin

Wunder geschehen neben dem großen Leid ebenfalls und Stacy ist ein solches. Vor 17 Tagen in der geschätzten Schwangerschaftswoche 26 wurde sie als extrem leichtes Frühchen geboren. Das Geburtsgewicht betrug ca. 800g und sie atmete ohne Hilfe. Normalerweise benötigen Kinder, die in dieser Woche geboren werden, eine Beatmung und teure, hier nicht erhältliche Medikamente. Dieses Kind hatte den Vorteil, dass es als Mädchen geboren wurde, denn Mädchen, die um diesen Termin geboren werden, sind meistens „stärker“ als Jungen. Zurzeit wiegt sie 790g und muss noch ihr Geburtsgewicht erreichen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten und wenig gut geschätzten Überlebenschancen, kämpfte sie und nimmt zurzeit sogar an Gewicht zu. Sie wird mit Muttermilch gefüttert, mit Minimal Handling versorgt und zeigt uns so, dass es auch ohne High-Tech-Medizin, lediglich mit sanfter Pflege und Vorsicht im Krankenhaus auf der allgemeinen Intensivstation zu überleben möglich ist. Sie liegt neben infektiösen Erwachsenen und Kindern. Kein Vergleich zu den sonstigen in westlichen Krankenhäusern üblichen „sauberen“ Pflegestandards.
Gute Überlebenschancen dank Teamarbeit

Ein Wunder, die Mutter hat das Kangorooing schließlich doch übernommen und die Schwestern erledigen das Weitere. Stacy hat sogar schon richtig „Farbe“ bekommen und sieht nun ihrer Mutter immer ähnlicher. Anfangs, kurz nach der Geburt sind die farbigen Babys keineswegs so deutlich dunkel pigmentiert. Sie „dunkeln“ erst nach einigen Tag nach. Wir können das alles kaum glauben, aber sie hat wirklich gute Chancen zu überleben. Auch wenn sie dann ca. 2 Monate mindestens im Hospital verbringen muss. Dank einiger neonatologisch erfahrenen Schwestern und Pflegern hier, können wir eine Neonatologie mit hohem Standard anbieten. Eine enge Zusammenarbeiten zwischen Gynäkologen, Hebammen und Kinderärzten hilft hier maßgeblich. Ich bin sehr froh, in einem so professionellen Team arbeiten zu können.
1 Kommentar zu “Was Kängurus mit Neugeborenen in Haiti zu tun haben”